von Guido Horst
Letztlich geht es um das Petrusamt. Man hat sich in Deutschland heiß geredet – in jenem kalten Februar: Über Papst und Vatikan, über Traditionalisten und einen Holocaust-Leugner, über mangelnde Kommunikation in der römischen Kurie und die Bedeutung des Zweiten Vatikanischen Konzils. Und nun? Bischof Richard Williamson hat seinen Unsinn zurück genommen und offensichtlich bereut. Immerhin. Andere seines Schlags zeigen sich unbelehrbarer. Die Bundeskanzlerin hat eine diplomatische Verstimmung mit dem Vatikan provoziert. Ein ehemaliger Ministerpräsident ist deswegen aus der Union ausgetreten. Talkshows hatten ein willkommenes Thema. Leitartikler überschlugen sich in Empörung und Besserwisserei. Hans Küng lief nochmals zur Hochform auf. Dass er dann dem Papst entgegenschleuderte, die katholische Kirche werde nun zur Sekte, war dann doch so peinlich, dass der Staatssekretär im Ruhestand, Kardinal Angelo Sodano, dem Papst zur Seite sprang. „Eine brüderliche Kritik ist in der Kirche immer möglich, schon seit den Zeiten der heiligen Petrus und Paulus“, ließ Sodano verlauten. „Aber eine bittere Kritik, noch dazu so unbestimmt, trägt nicht zur Einheit der Kirche bei, für die Papst Benedikt XVI. sich so sehr einsetzt. Der Heilige Geist hat ihn dazu bestimmt, in diesem wichtigen Moment ihrer Geschichte die heilige Kirche Gottes zu lenken.“ Nicht dass Kardinal Sodano dem Deutschen Joseph Ratzinger besonders freundschaftlich verbunden wäre. Aber so viel schäumender Blödsinn lockte dann doch den alt gedienten Vatikandiplomaten aus der Reserve.
Benedikt XVI. ist in all der Zeit derselbe und sich selbst treu geblieben. Er empfängt, predigt, spricht zu den Gläubigen aus aller Welt. Es heißt, im Apostolischen Palast sei man verstimmt gewesen über einige unerleuchtete Bemerkungen deutscher Bischöfe. Tatsächlich, über einige Aussagen zur Aufhebung der Exkommunikation der Lefebvre-Bischöfe aus deren Reihen war man in Rom schon sehr erstaunt. Auch die Vorgänge im oberösterreichischen Mühlviertel haben die Kurie nicht amüsiert. Dort mag man stolz sein auf den „Linzer Weg“. Pfarrer leben im Konkubinat, Laien predigen und leiten die Gemeinden. Dann ernennt der Papst einen Weihbischof, der vom „Linzer Weg“ nichts hält, dafür aber auf eine blühende Gemeinde blicken kann. Und das kirchliche Österreich zettelt einen Aufstand an, so dass der arme Pfarrer seine Ernennung ausschlagen muss. Auch nicht schön. Aber Papst ist man nicht, um auf einer Woge jubelnder Zustimmung zu schwimmen. Für Petrus war der Vatikan-Hügel ein Golgota. Für keinen Papst ist es kein Zuckerschlecken, die Weltkirche zu führen.
Auch wenn einige Medien noch Jagd machen auf den englischen Lefebvre-Bischof, ist das Thema weitgehend wieder aus der Öffentlichkeit verschwunden. Geblieben ist der Eindruck, Benedikt XVI. wolle der Kirche einen Ruck nach rechts oder zurück verpassen. Dieser Eindruck ist falsch. Wie gesagt, der Papst bleibt sich treu und sein Programm ist bekannt. Innerhalb der Kirche nördlich der Alpen ist aber auch noch etwas ganz anderes passiert. Man hat sich fast wie im Rausch der Verbundenheit mit dem deutschen Papst entledigt, die einem die Begeisterung des Papstwahl-Jahrs 2005 auferlegt hatte. Theologen, Pfarrer und kirchliches Management können heute wieder mit der gleichen Verbissenheit gegen den römischen Stachel löcken, wie das in früheren Jahrzehnten der Fall war. Hans Küng ist nur die Spitze des Eisbergs, aber symptomatisch für das, was Hans Urs von Balthasar einst als „antirömischen Affekt“ bezeichnet hatte. Übrigens war Küng einer der ersten, die Benedikt XVI. zum freundschaftlichen Gespräch nach Rom geladen hatte. Vorbei ist diese Zeit. Petrus stört. Und da schämt man sich nicht, den Papst mit allen möglichen Etiketten zu behängen, die sein Ansehen nach unten ziehen sollen.
In die Kirche nördlich der Alpen ist der Alltag wieder eingezogen. Wie ein Sturm ging die Aufregung über den „Fall Williamson“ durch die Gemeinden und theologischen Fakultäten – doch sind nur die Äste abgefallen, die auch vorher schon spröde und vertrocknet waren. Es war wie eine Scheidung der Geister. Vielleicht schadet es ja nicht, dass manche eine Maske, die sie fast vier Jahre getragen hatten, nun endlich fallen lassen konnten.