Oder: Religion brauchen wir nicht – Pro Ethik! Eine Abwägung zur Ethik-/Reli.-Volksabstimmung am 26. April in Berlin.
von Jakob A. Bertzbach
Alltäglich entscheiden unser Gefühl (unser Bauch) und unsere damit verbundene Tradition. Diese gewöhnlichen Bauchentscheidungen erweisen sich in Natur und Kultur nachträglich oft als sinnvoll; manchmal in der Liebe, zumindest aber für alle Kleinigkeiten des Lebens und des sozialen Zusammenlebens. Auch politische Wahlen und Volksentscheide können so entschieden werden. Um uns dabei mit Stimmungen selbst kein Bein zu stellen, sind wir darauf angewiesen, Gründe ebenfalls genau zu beachten. In diesem Text erfolgt eine Abwägung zur Berliner Volksabstimmung am 26.04.09 anhand von gewichtigen Pro- und Contra-Argumenten.
Das Grundgesetz der BRD – mit der Begründung von Artikel 7 Absatz 3 – ist das beste Argument dafür, für den Pro Reli Volksentscheid zu stimmen, mit dem Religion auch in Berlin von der 1. bis zur 13. Klasse zum ordentlichen Wahlpflicht-Schulfach erhoben werden soll: „Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach“ (GG Art. 7 Abs. 3 Satz 1). Durch Artikel 141 ist Berlin wie Bremen zu diesem Satz eine andere Variante ausdrücklich erlaubt, weil dort vor 1949 eine andere Regelung bestand. Zudem heißt es: „Unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechts wird der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt.“ (GG Art. 7 Abs. 3 Satz 2). Dies wird in Berlin durch ein freiwilliges Angebot abgedeckt. Was hatten die 61 Grundgesetzväter und 4 Grundgesetzmütter mit diesen Sätzen im Sinn?
Im Parlamentarischen Rat berücksichtigten sie das Thema zunächst unter dem Artikel „Elternrecht und Erziehung“. Denn wenn schon der Staat gegenüber den Eltern die allgemeine Schulpflicht durchsetzen kann, dann solle der Staat einem etwaigen Interesse der Eltern nach religiöser Erziehung ihrer Kinder entgegenkommen (res mixtae: eine gemeinsame Angelegenheit und somit keine vollständige Trennung von Staat und Kirche). Wie aber sollen der Staat und auch das Land Berlin das machen, um allen gerecht zu werden?
Die Freiheit des Glaubens (GG Art. 4 Abs. 1) erlaubt Eltern wie Kindern auch Religionsverzicht, welcher laut Volksentscheid gewährleistet wäre, indem Religion durch das Fach Ethik kompensiert werden könne (wie auch in anderen Bundesländern, Luxemburg, Belgien und ein paar osteuropäischen Ländern). Statt eines bloß freiwilligen Religionsangebots in Berlin sollen erst Eltern und ab dem 14. Lebensjahr die Schülerinnen und Schüler vor jedem Schulhalbjahr die Frage entscheiden können, ob Religion (statt Ethik) gewählt wird. So könnten sie die Vorteile von Religion regelmäßig erwägen: Mit Religion übt man sich in Respekt vor dem Unbegreiflichen, dem Transzendenten, der Fülle des Lebens wie dem Tod und nicht zuletzt auch in Hinsicht auf eine eigene diesbezügliche Tradition. Zudem steht außer Frage, dass man mit Religion lernen kann. Lehrreich ist beispielsweise, dass eine bestimmte Frau – nach wörtlicher Auslegung des Gesetz Mose – wegen Ehebruch hätte gesteinigt werden sollen, aber durch Jesus gerettet wurde, weil dieser sagte: „Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als Erster einen Stein auf sie“ (Johannes 8 Vers 7). Ähnliche Geschichten, die auch in einem Ethik-Unterricht verwendet werden könnten, gibt es von Mohammed, Konfuzius, Shankara und Siddhartha Gautama (Buddha) die alle in einem weiten Sinne von ‚Philosophen’ als solche bezeichnet werden können. Sie gelten heute als religiös, aber sie sind nicht mit Religionen gleichzusetzen, denn diese haben sich erst mit ihrer Verehrung, einer facettenreichen Geschichte und mit Anerkennungskämpfen gebildet. Dazu dürfen Verfehlungen und Verletzungen anderer Glaubensrichtungen nicht verschwiegen werden, sie sind ebenfalls lehrreich. Allerdings gilt für den Buddhismus, dass dieser nicht stark missionierte oder in anderen Ländern militant kämpfte, sondern nach innen orientiert ist.
Zu Religionen, das beweist nicht zuletzt die christliche Theologie, gehören auch dialogische Untersuchung und sachliche Systematik (orientiert an ihren jeweiligen theos-Ideen und Schriften). Religion und Glaube gehen über diese Sachlichkeit hinaus: Spiritualität, Glaube und Gott werden in einer Innenperspektive erfahren (mit Gesang, Ritus und Liebe). Dies gehört zu ihren ausgezeichneten Stärken, weil sie all das, was sachliche Begründungen nicht erreichen können, in verschiedenen Formen zu ehren und respektieren suchen. Freilich gehen die damit verbundenen Ausschmückungen, die die einzelnen Religionen ausmachen (Kirchen und Zeremonien), über ihre Anlässe hinaus (der Anlass und die kirchliche Religionsbildung bleiben different), aber alle Erweiterungen sind Teil ihrer kulturellen und in Wandlung befindlichen „Identität“, mit der sich Menschen punktuell identifizieren und ihren freien Glauben entfalten können. Im Religionsunterricht (also einer Veranstaltung über die jeweilige Religion) werden die unterschiedlichen Praktiken erklärt; anhand von Erzählungen und Auslegungen wird für die Gegenwart gelernt. Fragen nach guten Handlungen werden – gegebenenfalls in Kooperation mit dem Fach Ethik – besprochen.
Das weltgeschichtliche Erbe aller Philosophinnen und Philosophen soweit es das gemeinsame Nachdenken über gutes, wertvolles und gerechtes Handeln nicht nur zu fördern sucht, sondern tatsächlich zu einer selbständig referenzoffenen Tätigkeit ausbildet, dieses Erbe spricht dafür, in Berlin und anderswo Ethik als ein schulisches Pflichtfach zu begreifen. Dementsprechend müsste gegen den Volksentscheid gestimmt werden, denn jene Pflicht wurde in Berlin im Jahre 2006 eingeführt. Hingegen würde die Annahme des Volksentscheids erlauben, auf Ethikunterricht zu verzichten. Doch nach dem Willen der Berliner Gesetzgeber müssen Schülerinnen und Schüler von der 7. bis 10. Klasse neben anderen Lernpflichten in Konfrontation mit ihren unterschiedlichen Wertvorstellungen diese gemeinsam zu besprechen lernen (konkret dachte man hier an lachende Berliner Schüler mit Sympathien für den Ehrenmord an Hatun Aynur Sürücü, einer jungen Frau und Mutter).
Warum gerade in Ethik? Mit ‚Ethik’ als Teilgebiet der Philosophie sprechen wir über eine Kulturtechnik (wie Schreiben, Lesen und Rechnen), die schulisch bisher erheblich vernachlässigt wurde: das Kommunizieren unserer Angelegenheiten im Sinne dessen, was hierbei eigentlich gewusst werden kann und was getan werden soll. Diese Kommunikation ist von dem uralten religiösen Diskurs klar unterscheidbar, denn nun geht es in einer immerhin zweieinhalbtausendjährigen Tradition und in einem engeren Sinne von Sachlichkeit um sprachliche Annäherungen und Begründungen an das Begreifbare und Unbegreifbare, unser Denken und Handeln, um das irdische Schöne und gerechte Recht. Die Sache wird dadurch forciert, dass keine Schrift, kein Prophet, keine Lehre, keine Offenbarung und auch kein Gott vorausgesetzt werden (methodischerAtheismus). Es geht weniger um den Mythos, den Platon berücksichtigt, wenn er für den Begriff ‚Gott’ Verständnis zeigt und zudem einen Mythos zum Nutzen des Staates fordert. Der Berliner Tagesspiegel titelte wohl in diesem Sinne zur Amtseinführung von Barack Hussein Obama: „Ein Gottesdienst der Demokratie“. Ansonsten ist der Mythos in Platons Augen „kindlich“, Meinungen sind „unsicher“ und Wahrnehmungen „täuschend“. Stattdessen geht es ihm um den gemeinsamen logos, also sprachliche Berechnungen und Rechtfertigungen von seinen naturphilosophischen und sophistischen Vorgängern, von seinem kritischen „Lehrer“ Sokrates und von seinem wissenschaftlichen „Schüler“ Aristoteles, der die Politik, die Rhetorik und auch die Ethik zu Fächern ausbildete. Hinzu kommt hier eine lange Reihe an Nachfolgern. All diese sind verglichen mit den verschiedenen Schöpfern des Grundgesetzes und Heiligen der Weltreligionen keine schlechtere Referenz. Ihre Tradition ist älter als die derzeit bei uns im Vordergrund stehenden Religionen Christentum und Islam. Sie können sich ergänzen: Religionen können in Ethik ein Thema sein (und umgekehrt). Das derzeitige Berliner Schulgesetz sieht vor, „im Ethikunterricht sollen von den Schulen einzelne Themenbereiche in Kooperation mit Trägern des Religions- und Weltanschauungsunterrichts gestaltet werden.“ Die Themenfelder des Lehrplans sind weit gefasst, sie reichen von „1. Identität, Freundschaft und Glück“ bis „6. Wissen, Hoffen und Glauben“.
Warum so allgemein? Diese „Themen“ sind nicht historisch, weil sie auf Kompetenzen abzielen. Zentral sind für die „Identität“ von Ethik ihre Kompetenz bildenden Methoden (also die des logos), denn mit ihnen wird eingeübt, jeweilige Themen neutral zu behandeln. Dies bedeutet, wie in der Wissenschaft, nicht auf das Ergebnis einer Untersuchung festgelegt zu sein und Wertmaßstäbe kritisch zu hinterfragen – auch die der Wissenschaft, der Gesellschaft und die der eigenen Person. Ethik ist also kein Reli.-„Ersatz“. Sinnvolle Zeremonien gehören nicht zum Geschäft oder Selbstverständnis der Ethik. Ethik ist ein spezifisches lebenspraktisches Handwerk, eine Kunst des gemeinsam abwägenden Gesprächs und eine alte philosophische Disziplin zur vernünftigen Reflexion unseres Denkens & Handelns, unserer Werte und Menschenrechte. Im Ethikunterricht wird gelernt, befremdliche Werte zu erwägen und offen miteinander zu diskutieren. Geübt werden das Einnehmen einer eigenen Position, die Begründung dieser Position und gegebenenfalls die selbsttätige Korrektur.
Zur fairen Abwägung gehört ein Drittes, das in Berlin Tradition hat: Freier Bekenntnisunterricht von der 1. bis 13. Klasse wird seit 1948 im westlichen und seit 1990 im östlichen Teil mit derzeit jährlich 47 Millionen Euro der Landeskasse organisiert. Wenn dieser Unterricht als frei wählbares Zusatzangebot und in kleinen Klassengrößen beibehalten werden soll, dann müsste gegen den Volksentscheid gestimmt werden. In Berlin sprechen sich die Alevitische Gemeinde, die Initiative Christen für Ethik, die Buddhistische Union und der Humanistische Verband dafür aus. Das Angebot ist „pur“ im Sinne ihrer Organisationen. Was aber spräche dafür, das Verfassungsanliegen weiterhin in dieser freiwilligen Form umzusetzen? ―
Die Vertreter von Regierungen, Parlamenten, Gerichten, Glaubensgemeinschaften und Parteien können sich bestimmte „normative“ Überzeugungen von Menschen nur wünschen und sie fördern, sie aber nicht verordnen oder gewährleisten. Das heißt (ohne das Fremdwort ‚normativ’): Es ist alleinige Sache des Individuums, überzeugt zu sein, sich zu einer Sache frei zu bekennen und diese wirklich zu wollen. Selbst die Treue zu Verfassungen und Menschenrechten ist faktisch frei, sonst gäbe es keinen Eid und keine Strafen, die diesen „Graben“ zu überbrücken suchen. Unsere Ethiklehrer haben ja auch nicht den Auftrag, ein bestimmtes Verfassungsbekenntnis auszubilden, sondern sie müssen in weltanschaulicher Neutralität dafür sorgen, dass sich überhaupt wertende und normative Überzeugungen ausbilden, dass diese sachlich geprüft werden, und dass in „einer dialogischen Gesprächskultur […] Konsens angestrebt und Dissens akzeptiert und ausgehalten wird“ (BVerfG, 1 BvR 2780/06). Hingegen haben die Berliner Vertreter, die den Bekenntnisunterricht organisieren, einen anderen Schwerpunkt. Was sie zu leisten versuchen, ist mit einer groben Analogie erklärbar: Auch die Partnerliebe braucht Freiheit, die dazu gewünschte Bindung ist nur auf der Basis einer freien Entscheidung erreichbar (ein Paradox). Im versetzungsrelevanten Unterricht geht es um Zensuren (zwar muss es den Bekenntnislehrenden auch um Überzeugungen gehen, aber diese sollen nicht benotet werden). Hingegen kann in der bisherigen Berliner Praxis auf diesen Zensurenzwang verzichtet und mit einer Klassenstärke von 15 Personen in der Grundschule gearbeitet werden (anschließend nur noch 12). So kann in der Schülerperspektive die Aktivität der Gemeinschaft gut ins Zentrum der Betrachtung rücken: freie Bekenntnisse und Überzeugungen, frei gewählte Themen und Verantwortungen sowie auch – außerhalb des Unterrichts – freie Ehrerbietungen und Zeremonien (mit dabei sind Jugendfeiern „ohne Glaubensbekenntnis“ des Humanistischen Verbands, welcher sich seinerseits zu einer ethischen und humanistischen Tradition bekennt, Forderungen formuliert und durch seine Verbandsgrenzen identifizierbar ist).
Es wird somit in Berlin nicht bloß ungefähr, sondern ganz genau dem Diskussionsgegenstand des Parlamentarischen Rates entsprochen, welcher sich im Verlauf seiner Sitzungen nicht-religiösen Bestrebungen öffnete. Denn hier bekommen die Kinder das Religiöse und sonstige Weltanschauliche auf folgender Grundlage geboten: Religiös und weltanschaulich gebundene Eltern erhalten für ihre Kinder vielfältige Angebote zu einer religiös und weltanschaulich gebundenen Erziehung und einen freien Zugang; zudem keinen Einfluss von Zensuren und seitens des Staats die tagtägliche Rechtsfreiheit, nicht erscheinen zu müssen (und dennoch bilden sich hier Pflichten!). In dieser Hinsicht ist das entsprechend organisierte Unterrichtsangebot etwas besonderes, es gibt wenig formale Vorgaben und es ist für Schüler im Prinzip zwanglos.
Fakt ist, dass in den Grundschulen 20.17% und im Durchschnitt aller Jahrgänge 49,80% der Kinder nicht vom Bekenntnisunterricht erreicht werden – insbesondere in den Abitursjahrgängen. Wenn hier insgesamt mehr Schüler/innen erreicht werden sollen, dann könnte eine Verpflichtung eine Verbesserung bewirken. Zwar ist unbekannt, wie viele der bisher nicht Erreichten ein freies Bekenntnisfach dem Lebenskunde- oder Ethikfach vorziehen würden, aber eine Steigerung dürfte aufgrund einer Verpflichtung erwartet werden – nicht zuletzt in den Abitursjahrgängen. Dieses Argument wird teilweise mit der Einführung des Ethikunterrichts vermischt, was aber von den Fakten nicht gestützt wird: Während der Einführung des Ethikunterrichts von 2006/07 bis 2007/08 sank die Gesamtschülerzahl von 334.879 auf 328.380, dennoch stieg die Teilnahme am freiwilligen Unterricht von 163.725 auf 164.214 (Daten der Senatsverwaltung vom 22.12.2008, I E 2.03). Dies kann trotzdem als zu wenig angesehen werden. Ein möglicher Grund liegt in der Freiwilligkeit: Wenn nämlich Schülerinnen und Schüler gleich welchen Alters Schwierigkeiten mit den Pflichtschulanforderungen haben, dann kann der Besuch eines freiwilligen Angebots als Belastung empfunden werden. In diesem Sinne ist von „Randstunden“ die Rede, die im Allgemeinen wenig gern genutzt werden. Zwar kann das freiwillige Angebot in dieser Zeit auch ausgleichend wirken, aber die Regel ist, dass hier die Aufmerksamkeit für Unterrichtstoff weniger gegeben ist als Frühmorgens.
Wer in zeitlicher Hinsicht bessere Bedingungen der Aufmerksamkeit wünscht (natürlich zum Nachteil eines anderen Fachs) und der Prognose der Steigerung traut und diese will, müsste eine entsprechende Wahlpflicht anstreben und für den Volksentscheid stimmen. Zu diesem Ergebnis kommen in Berlin die Evangelische Kirche, das Erzbistum, die Jüdische Gemeinde und die Türkisch-Islamische Union. Ihr Grund dies zu wollen, liegt an ihren Erfahrungen, dass der Glaube ein besonderes geistiges Zuhause bietet. Dieses Zuhause kann strukturell ausgebaut werden, wenn die Religionsgemeinschaften innerhalb der Schule eine nicht bloß freiwillige Randstundenpräsenz finden. Präsenz hat in anderen Bundesländern unterschiedliche Akzeptanz und Attraktivität. Abgesehen von Bremen besteht in ihnen ähnlich wie derzeit in Österreich und Griechenland der Fall einer (Wahl-)Pflicht, die die Konfessionen strukturell als „ordentlichen“ Bestandteil stützt. Mit konfessionellen Lehrkräften soll auch in Berlin weltanschauliche Heimat im Pflichtstundenbereich aller Schuljahrgänge gesetzlich integriert werden.
[Top 1+4] Die Ja-Variante wird von dem Verein und Antragsteller „Pro Reli e.V.“
mit dem Slogan „Gleiche Freiheit für Berlin. Freie Wahl zwischen ETHIK und RELIGION“ verfolgt: (a) Der Unterricht der religiösen und weltanschaulichen Vereinigungen verlöre den freiwilligen Status, könnte aber von der 1. bis 13. Klasse im regulären Stundenaufgebot gewählt werden; er würde mit seinen unterschiedlichen Traditionen eine andere Schulpräsenz gewinnen – möglicherweise auch einen selbstbewussteren gesellschaftlichen Einfluss – und er würde im staatlichen Fächerkanon ein durchgängiges zensurenrelevantes Wahlpflichtfach werden. Übrigens: Eventuell könnte ein späteres Gesetz die Zensurenrelevanz einschränken. (b) Hinzu kommt, dass Ethik in Form einer Alternative zum Reli.-Unterricht bestehen bliebe, dass die Verpflichtung zum gemeinsamen Ethik-Unterricht von der 7. bis 10. Klasse entfieleund dass Ethik auf alle Jahrgangsstufen ausgedehnt werden müsste (ggf. ab Sommer 2009).
[Top 2+3] Die Nein-Variante wird vom Berliner Senat und dem„Bündnis Pro Ethik“ verfolgt. Slogans: „Gemeinsam, nicht getrennt; Pro Ethik plus Religion; NEIN zum Wahlzwang“ : (a) Der Unterricht der religiösen und weltanschaulichen Vereinigungen würde von der 1. bis 13. Klasse den frei wählbaren Status behalten (seit 1948/1990), würde also nicht zum Wahlpflichtfach werden und bliebe in Ergänzung des staatlichen Fächerkanons ein zusätzliches Angebot dafür, ein freies Denken im Rahmen einer bestimmten Tradition einzuüben. (b) Zudem bliebe Ethik ein Pflichtfach der 7.-10. Klasse und ein nicht abwählbarer Bildungsbestandteil der Schullaufbahn , wobei dies gleichzeitig entsprechend einer Berliner Integrationsidee bedeutet, dass sich alle Schülerinnen und Schüler gemeinsam über ihre unterschiedlichen Wertvorstellungen austauschen müssen (seit Sommer 2006).
In einer Berliner Mensa sagte mir neulich eine Studentin zur Volksabstimmung: „Da brauch ich nicht überlegen – Pro Reli!“ In einer anderen Berliner Mensa hörte ich eine gewisse „Basta“-Präferenz für Pro Ethik: „Religion brauchen wir nicht!“ Beiden Sprecherinnen ist zu Gute zu halten, dass ihre Wertungen auf Werten basieren, die sie in die Lage versetzen, für sich lebenspraktische Entscheidungen zu treffen. So funktioniert das nun mal auch bei uns allen: „Werte eignen sich […] als Reflexionsstopp“ (Niklas Luhmann). Denn würden wir bei jeder wertrelevanten Frage in Nachdenklichkeit verfallen, dann könnten wir unseren Job nicht machen, im Alltag Schwierigkeiten bekommen und vielleicht auch wie Thales, der erste uns bekannte Philosoph, zum Gespött einer Magd in einen Brunnen fallen. Dass es Thales gelang, durch Nachdenken eine Sonnenfinsternis zu berechnen, hat also einen Preis, nämlich ein Absehen von anderen Dingen durch die eingesetzte Zeit des Überlegens. Dies ist übrigens das gemeinsame Identitätsmerkmal von allen Philosophen: – ob als Kind oder Greis, im Osten wie im Westen – ihre „Kultur der Nachdenklichkeit“ (Herbert Schnädelbach). Das philosophische Nachdenken kennt keinen Abschluss, insofern jede nachdenkliche und an Perspektiven gebundene Prüfung für sicher gehalten werden kann, aber nicht davon frei ist, zukünftig erneut in Frage gestellt und unter veränderten Bedingungen anders bewertet zu werden (wenn Werte fest stehen würden, auch hinsichtlich ihres jeweiligen Verhältnisses zueinander, dann würden wir gerne wissen wo).
In religiösen und weltanschaulichen Vereinigungen, auch im Staat und in unseren Lebenszusammenhängen, bilden sich Werte heraus (‚Freiheit’ wie ‚Freude’), die sich wandeln, aber zu einem bestimmten Zeitpunkt in einer bestimmten Umgebung eine „feststellbare Identität“ darstellen („So ist’s!“ & „So soll’s sein!“ – ansonsten wäre die jeweilige Identität entweder gar nicht beschreibbar oder nur durch eine gewisse Nicht-Identität erkennbar). Die Feststellung kann durch Bekenntnisse erfolgen (im Prinzip genauso, wie man sich vielleicht als Vegetarier oder Katzenliebhaberin „identifiziert“ und bekennt). Im Bekenntnisunterricht sollen festgestellte Werte überzeugend vermittelt und ausgelegt werden (z.B. ‚Aufklärung’ oder ‚Bewahrung der Schöpfung’), ansonsten können die Berlin Vereinigungen ihre Lehrenden abberufen. Hier bestehen reale Schmerzgrenzen aufgrund von Identitäten, so dass irgendwo – vielleicht bei Verfassungsfeindlichkeit, Gotteslästerung oder Mohammed-Karikaturen – „der Spaß aufhört“. Doch so wie der Mensch ein „nicht-festgestelltes Thier“ ist (Nietzsche), so bin ich als Ethiker ein nicht-festgelegter Philosoph: Zwar bilde ich mit meinen Überzeugungen eine eigene Identität aus (auch philosophisch), aber meinen Ethik-Studierenden lege ich nahe, dass sie in der Schule mit ihren Standpunkten keine Besserwisser und keine Verkünder der Ethik oder gar Parteigänger eines singulären moralischen Maßstabs sein sollten. Auch eine extrem kritische Schülerposition, wie bezüglich unserer sich ständig wandelnden Verfassung gehandelt werden soll („Es wäre besser, wenn X gemacht wird“), ist im ethischen Gespräch erlaubt (siehe Grundgesetzartikel 4-5) und sie bedarf „klimatisch“ Luft und Spielraum. Dass unerlaubte Handlungen zu Rechtsstrafen führen, ist im Ethik-Gespräch eigentlich nur dann relevant, wenn jemand diese Handlungen während des Unterrichts vollzieht, also beispielsweise um sich schlägt.
Schwerpunkt im Religionsunterricht sind vorbestimmte Werte (Frieden, Schöpfungsbewahrung, Gerechtigkeit u.a.). Heilige wie Jesus sind in der religiösen Lehre nicht ersetzbar, denn hier zählen ihre Worte und das daran anschließende System dieser bestimmten Identität wie ein Gesetz, das nicht widerlegbar, sondern nur auslegbar ist (es kann dort weder abgeschafft noch verteufelt werden). Hingegen werden im Ethik-Unterricht gerade dadurch Werte ausgebildet, dass eigene Positionierungen, Wertvergleiche und Selbstkritik systematisch eingeübt werden. Der daraus resultierende Bewertungsmaßstab der Lehrer ist überwiegend formal und deshalb für Zensurenvergaben definitiv geeignet. Ethik ist nicht Wertevermittlung im Sinne einer Wertevorgabe, -einübung und dessen Vorleben (durch Lehrende für Lernende), sondern Wertevermittlung im Sinne von Wertereflexion, -begründung und -vergleich (der Lernenden untereinander und mit den Lehrenden). Ein bestimmter Philosoph ist durch einen anderen insofern ersetzbar, als dass in der Philosophie die Entwicklung des Gedankens dominiert. Ein Religionsunterricht ist demgegenüber mit der Besprechung des Evangeliums oder des Korans anders konstituiert, das Bezugssystem der Werte steht „weltanschaulich“ fest, hierbei geht es auch, aber weniger um verschiedene Arten der Erfassung, Begründung und Infragestellung von Werten, sondern eher um deren Verständnis, Aktualisierung und die Frage des damit verbundenen Engagements. Für unterschiedliche inhaltliche Gewichtungen siehe die Lehrpläne und –praxis der jeweiligen Vereinigungen. Und wer in Deutschland einen neutralen ReligionENunterricht sucht (Plural), wird ihn wohl nach derzeitiger Gesetzeslage nicht finden, so wie auch die verschiedenen Kultur- und Kunstschätze nicht systematisch abgedeckt werden (dies wäre wie in England eine konfessionslose Religionskunde). Zwar soll der jeweilige Religionsunterricht (Singular) andere Religionen berücksichtigen (Plural) und Ethik soll ebenfalls (neben verschiedenen Ethiken) die Religionen berücksichtigen, aber die jeweils anderen Konfessionsschulen sind nirgendwo das zentrale Thema – wenngleich viele engagierte, neutralitäts-inspirierte Religionslehrkräfte praktisch dafür sorgen. Das Bundesverfassungsgericht stellt zumindest für die alten Länder klar, der Religionsunterricht erfolge in „konfessioneller Positivität und Gebundenheit“, er sei „keine überkonfessionelle vergleichende Betrachtung religiöser Lehren“ (BVerfGE 74 252). Die Fächerwahl, die die Antragsteller der Volksabstimmung in der Berliner Schule gesetzlich verankern wollen, ist also die, ob Eltern ihre Kinder in ein gebundenes und erprobtes Wertesystem entlassen, mit dem diese sich nach und nach identifizieren könnten, oder in das vergleichende „Versuchslabor“ Ethik, in dem alle Werte und –relationen auf den gemeinsamen Prüfstand geraten können.
Nachdem der Berliner Landesgesetzgeber seine Präferenzen in Gesetze geformt hat, sind es nun die Berliner, die diese Entscheidung anhand ihrer Vorlieben demokratisch kippen oder bestätigen können. Begründete Vorstellungen des Bundesverfassungsgerichts sind hier nicht gefragt, denn dieses hat nicht die Macht, verfassungsgemäße Varianten durch feinsinnige Interpretationen auszuhebeln. Auch die Wissenschaft kann nicht einvernehmlich klären, was getan werden soll. In meiner Präferenzbildung ergibt sich dieses Bild: Mit einer ‚JA’-Mehrheit würde Ethik als Angebot auf alle Jahrgänge ausgeweitet werden, aber ein Hinzunehmen des frei wählbaren Bekenntnis- (und Lebenskunde-) Unterrichts mit kleinen Klassen ginge verloren. Mit einer ‚Nein’-Mehrheit blieben Religionen „nur“ Angebote und in der Ethik bliebe es bei der gemeinsamen Pflicht von der 7. bis 10. Klasse. Zwar ist meine Entscheidung eine persönliche Sache, aber ich kann hier sagen, dass ich zum letzteren neige: Einer Pflicht zur Ethik neben diversen Angeboten. Warum? Fünf Gründe:
(1) Ich begreife Ethik als die Kulturtechnik des gemeinsamen Gesprächs über unsere Handlungen. Daher sollten nach meinem Dafürhalten alle Schulpflichtigen diese Technik gezielt einüben (techné = Kunst) – vorzugsweise durch individuelles Schreiben und gemeinsame Gespräche, in denen es die unterschiedlichen Wertauffassungen sind, die die Auseinandersetzung interessant werden lassen. Ich denke, Schule kann als ein praktisches Testfeld die Weltgesellschaft adäquat widerspiegeln, wenn sie mit ihrer inneren Pluralität einen offenen, experimentellen und zivilen Umgang findet. Zwar sind kulturelle „Identitäten“ und Bekenntnisse bedeutsam, aber mir scheinen aufgrund der prinzipiell unbestimmbaren Zukunft die kulturellen Techniken und Methoden wichtiger zu sein (methodos = der Weg). Da gibt es ganz profane Beispiele. Was nützt es mir als Person, mich mit meiner „Identität“ als Berliner Bürger anzufreunden, wenn ich nicht in erster Linie auf die sich wandelnden Anforderungen meiner Umwelt eingehen, mit anderen kommunizieren und Geld verdienen kann? Oder was nützt es Israelis und Palästinensern, wenn sie sich erstmal mit ihren „Identitäten“ abgrenzen und nicht dem Weg der Verständigung Priorität einräumen? Identitäten sind hilfreiche Zuschreibungen, aber sie können auch Fallen sein, die Problemlösungen blockieren. Hilfreicher ist die Kunst der Problembegehung ― heute für Metropolenintegration, morgen vielleicht für sexuelle Minderheiten, übermorgen für Kinderrechte.
(2) Zwar schätze ich einen Umgang mit „unserer“ kulturellen Identität, aber diese ist für mich nur in Freiheit und in einem Konzert mit anderen interessant, authentisch und weltoffen: „Die wohlintegrierte Gemeinde, deren Bewohner mit großer Unmittelbarkeit und Solidarität instinktiv absolut wunderbare Dinge füreinander vollbringen, kann genau dieselbe Gemeinde sein, in der Zuwanderern, die von außerhalb in die Gegend ziehen, die Fensterscheiben eingeworfen werden“ (A. Sen). Ich würde mir Schulen mit diversen Angeboten wünschen, in denen zeitweise die kleinen Kästchen verlassen werden, in denen exklusive Standpunkte vertreten werden: Anders als Religion und Recht kennt Ethik keinen exklusiven Standpunkt; auch nicht den der Menschenrechte und des Grundgesetzes. Diese sind in ihrer Entstehung und Veränderung wichtig, aber sie werden gleichermaßen kritisch in Frage gestellt wie die Werte aus anderen Quellen.
(3) Im sozialen Zusammenleben gibt es manchmal keine Lösung: Man muss Kompromisse suchen, einen Dissens akzeptieren und beides aushalten . Dies aber lernt man nicht im harmonischen Frieden unter seinesgleichen (Unterrichtsaufteilung nach Neigungen), sondern eher in dem Konflikt, den der Berliner Senat in einem gemischten Ethikunterricht der 7. bis 10. Klasse zu provozieren sucht (wieder ein Paradox: Konflikt für umfänglichen Frieden). Wie könnte man hier wollen oder empfehlen, den diesbezüglichen Unterrichtsaufbau abzuwählen?
(4) Freiwilliger Bekenntnisunterricht ist in Europa die Regel, selbst in „gläubigen“ Ländern wie Italien oder Polen (während Frankreich und Albanien ganz auf ein Religionsfach verzichten). Warum meinen „wir“, konfessionelle Religiosität sei mit einem Pflichtbereich vereinbar? Das Ziel des sich Einlassens auf ein Bekenntnis wäre mit einer schulischen Benotung, die anders orientiert sein muss, unnötig belastet. Hier kann sich das frei gewählte
Angebot in Berlin mit den Angeboten der anderen (Bundes-)Länder messen, weil es viele Unterrichtsz iele und in Grundschulen über 79 % der Schülerschaft erreicht (29 % durch den Humanistischen Verband). Zudem können in anderen Fächern Glaubensbedingungen (in Ethik Klasse 7-10) und neutrales Grundwissen über Weltreligionen berücksichtigt werden (ggf. schon in Geschichte Klasse 6). Das Volksbegehr will es ganz anderes. Diverse Vertreter sollen im Pflichtbereich walten und zensieren. Dann würden sie dort Lehrkräfte bevollmächtigen und sie dürften dort von vergleichender Religionskunde absehen. Dann aberwäre zu erwägen, auch allen erlaubten politischen Organisationen dort einen Zugang zu gewähren (zur Stärkung der Demokratie).
(5) Abschließend eine pragmatische Begründung: Der Eingriff in das freiwillige Angebot und in den Pflichtbereich ist noch nicht zu Ende gedacht. Nach Auskunft der Schulbehörde müsste für Religionen im Wahlpflichtbereich eine Gruppe ab 18 Schülerinnen und Schülern erreicht werden (anstatt ab 15/12). Größere Klassenstärken mit Zensurenzwang können kaum als günstiger bezeichnet werden. Welches Fach soll in der Grundschule zu Gunsten von Ethik und Einzelreligionen in den gefürchteten Randstundenbereich rutschen? Insoweit schulübergreifende Gruppen gebildet werden müssen, um die nötigen Klassenstärken zu erreichen, ist eine Randstunden-Änderung kaum zu erwarten. Je nach Stadtteil würden sich deutlichere Religionsprägungen ausbilden. Welches geisteswissenschaftliche Fach zugunsten dieser vorwiegend religiösen Angebote zurückgefahren werden soll, verrät der Volksentscheid leider nur für die Klassen 7 bis 10. In den Abitursjahrgängen müsste nicht nur Philosophie an mehren Schulen „einpacken“: Fächer wie Geschichte und Sozialkunde würden im geisteswissenschaflichen Modul noch leichter als bisher die Mindestklassenstärke 18 verfehlen. Schon ab der Einschulung träte Ethik auch in Konkurrenz zum Fach Lebenskunde. Dort müssten dann Noten gegeben werden. Zwar ist freier Wechsel im Pflichtbereich möglich, aber die Fächer sind kein Diskutierclub, bei dem man beliebig wechseln kann, ohne dass dies in Versetzung- und Zensurenhinsicht Konsequenzen hätte. Die Lehrpläne sind ja unterschiedlich. Sowohl bezüglich der Schriftenkompetenz und Auslegungstechnik im Bekenntnisunterricht als auch der davon unterschiedenen, systematischen Einübung von Methoden- und Analysetechnik in Ethik wäre es nachteilig, in der 9. Klasse zu wechseln, wenn der Rest der Klasse deutlich fortgeschritten ist. Und beiläufig wäre zu bedenken, dass der Bekenntnisunterricht zukünftig im Abschlusszeugnis eingetragen wäre. Oftmals trägt man dies in Deutschland bei zahlreichen Bewerbungen vor sich her und weltanschaulich dogmatische Arbeitgeber könnten es bei Ihrer Auswahl berücksichtigen. Wie dem auch sei, jedenfalls hat mich der Verein Pro Reli noch nicht davon überzeugt, dass der Volksentscheid die bessere Alternative bietet, aber zur gemeinsamen Diskussion bleibt noch Zeit – hinsichtlich sonstiger Ethik-/Reli.-Entwicklungen auch über Ende April hinaus.
Das derzeit einzigartige Berliner Modell der Berücksichtigung von Ethik neben Religionen darf am 26. April verändert werden. Werden Konfessionsgruppen ihre „authentischen“ und „bevollmächtigten“ Bekenntnisträger zukünftig im Pflichtbereich der 1.-13. Klasse einsetzen? Auch in Österreich und Bremen wird der Religions- und Ethikunterricht neu diskutiert. Größe und Gewichte von Vor- und Nachteilen können in einer Abwägung „auf den Begriff“ gebracht werden. Wer hierbei auf den Geschmack kommt, kann die Details von kleineren Gewichten hinzunehmen und ihnen somit einen Wert zumessen.
Der ‚Pro Reli’-Vorschlag beschäftigt die Berliner Parteien mehr als erwartet: Er polarisiert die Berliner Stimmung des „Wahljahrs“ in Hinsicht auf Verlierer und Gewinner: CDU/FDP „pro Reli“; SPD/ Linke/Grüne „pro Ethik“. Aber dies ist eine hinzukommende Sorge von morgen. Heute berührt die Polarisierung selbst den evangelischen Kanzlerkandidaten Steinmeier nur am Rande: Er ist „pro Reli“ (ein Parteiausschlussverfahren ist nicht zu erwarten). Um die noch-nicht-festgelegte Stimme einer Wählerin zu bekommen, müssen sich Gegner und Befürworter auf das Heute konzentrieren und sich um einen gemeinsamen „Grundkonsens“ intensiv bemühen. Umfrageergebnisse helfen hier kaum weiter. Rund 300.000 Unterschriften wurden im Vorfeld gesammelt. Eine Mehrheit mit 610.000 Stimmen ist zur rechtsverbindlichen Annahme nötig und in Abhängigkeit des Verlaufs des „Wahlkampfs“ gut möglich. Die Ablehnung ist ebenfalls möglich. Die Schweizer haben Erfahrungen mit der Demokratie der Volksabstimmungen? „Wir“ Berliner lernen gerade, dass die Grundkonsens-Bemühungen in Schule, Parlament und Volksabstimmung nicht einfach, sondern komplex und gewagt sind, denn sie müssen das Bauchgefühl einer Bevölkerung erreichen – und nicht nur das.