Wir Menschen sind eigentlich Schimpansen, die nie erwachsen geworden sind
Richard Dawkins
Geschichten vom Ursprung des Lebens.
Eine Zeitreise auf Darwins Spuren
Aus dem Englischen von Sebastian Vogel
Titel der Originalausgabe: The Ancestor's Tale
Ullstein Buchverlag, Berlin (Oktober 2008)
928 Seiten, Gebunden
ISBN-10: 3550087489
ISBN-13: 978-3550087486
Preis: 29,95 EURO
von Heike Geilen
Am 12. Februar 2009 wird der 200. Geburtstag eines Mannes
gefeiert, der mit seinen Erkenntnissen und der Veröffentlichung seines
Hauptwerkes " Über die Entstehung
der Arten" (1859) das Verständnis über unsere Herkunft revolutionierte:
sein Name Charles Darwin. Der Brite Richard Dawkins - einer der führenden
Evolutionsforscher der Gegenwart und ein großer Verehrer des 1809 geborenen
Naturwissenschaftlers - veröffentlichte bereits im Jahr 2004 in Zusammenarbeit mit
seinem Forschungsassistenten Yan Wong ein sensationelles Buch ("The Ancestor's Tale"), das an die
Lehre Darwins anknüpft und die Entwicklung unserer Spezies - des Menschen - auf
beeindruckende Art und Weise und nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen
aufrollt.
Nun endlich liegt die von Sebastian Vogel verständlich und
flüssig aus dem Englischen übertragene Version auch im Deutschen vor.
Dawkins hat trotz der Kompaktheit des Buches (über 900 eng
bedruckte Seiten) und der beinahe erschlagenden Fülle an vermittelnden
Informationen ein überaus lesenswertes Werk geschaffen. "Geschichten vom Ursprung des Lebens"
- wie es der Titel bereits vermuten lässt - erzählt Geschichten über die
Evolution. Aber keineswegs "eine
blöde Geschichte nach der anderen" wie der Autor schmunzelnd einwirft
und auch nicht in der Art, als welche man den Ablauf der Evolution mit etwas
Humor durchaus beschreiben könnte, nämlich als "eine blöde Spezies nach der anderen", sondern der britische
Evolutionsbiologe hat ein unglaublich spannendes, unterhaltsames,
hochinformatives und wissenschaftlich fundiertes Sachbuch geschrieben, das sich
beinahe wie ein Roman liest. Fasziniert verfolgt der Leser wie sich beginnend
vor ca. 3,5 Milliarden Jahren das Leben nahezu aus dem Nichts mit einfachen
Einzellern und Bakterien zu entwickeln begann und letztendlich zu
"Produkten" führte, "die
nicht nur ihren Ablauf begreifen sondern auch den Prozess, mit dem sie ihn
begreifen" - den Menschen.
Eines raffinierten Weges bzw. einer durchdachten
Vorgehensweise hat sich Richard Dawkins dabei bedient. Er verfolgt auf einer
Pilgerreise die Entwicklung des Lebens rückwärts - von der Gegenwart in die
ferne Vergangenheit, zum Ursprung. Der Leser wird ihm bereitwillig und vor
allem interessiert folgen. "Aber da
wir Menschen sind, werden wir von all diesen Wegen den unserer Vorfahren
einschlagen. Es wird eine Pilgerreise von Menschen zu den Vorfahren der
Menschen."
Pilgerreise zum
Ursprung des Lebens
fünf Millionen Jahren. Und nach jedem erneuten Zusammentreffen von Vorfahren,
mit denen wir einen gemeinsamen Vorfahren haben, wird die Pilgerschar - unsere "Verwandtschaft"
- immer größer und weitläufiger. Doch erstaunlicherweise hält sich, trotz der
unermesslichen Zeitspanne, die Zahl der "Meetingpoints" oder
Sammelplätze sehr stark in Grenzen. "
Als
menschliche Pilger kommen wir insgesamt nur an vierzig Treffpunkten vorüber,
dann sind wir beim Ursprung des Lebens angekommen.", erklärt Dawkins.
Den Ursprung nennt der Autor "unser Canterbury",
eine literarische Anspielung auf Geoffrey Chaucers "Canterbury Tales"
(dt. "Die Canterbury-Erzählungen") aus dem 14. Jahrhundert. "
Auch meine Pilger", so Dawkins,
"
die verschiedenen Arten der
Lebewesen, werden nach dem Vorbild Chaucers die Gelegenheit erhalten, auf dem
Weg nach ihrem Canterbury [...] Geschichten zu erzählen. Diese Geschichten
bilden den Hauptteil des vorliegenden Buches." Da kommen zum Beispiel
der Neandertaler zu Wort, der Gibbon, der Biber oder die Maus, der
Beutelmaulwurf, der Dodo, die Heuschrecke, der Schwamm oder ein Blumenkohl, um
nur einige zu nennen, bis wir letztendlich bei den letzten Pilgern, den
Eubakterien und dessen ausgewählten Vertretern wie dem Rhizobium oder dem Taq
ankommen.
"
Das Gerüst der
Erzählungen [wiederum] bilden die nummerierten Meilensteine an den Treffpunkten
und zwischendurch einige Orientierungsmarken, die unbedingt notwendig sind,
damit wir die Chronologie festklopfen können.", erläutert Dawkins. Dabei
kann der Leser in beinahe jeder der Begegnungen eine evolutionäre Botschaft
entdecken, in der wir Menschen leider nicht immer die beste Rolle spielen.
Von Zeit zu Zeit integriert der Autor anschaulichen
wissenschaftlichen Nachhilfeunterricht. Dawkins erläutert verständlich und
kompetent den DNA-Aufbau und Gensequenzanalysen, erklärt die Modellierung von
Stammbäumen mit Hilfe von Computerprogrammen oder aber das Periodensystem der
chemischen Elemente und die Bildung von Isotopen. Sogar einen Abstecher in die
Astrophysik und die Quantenmechanik unternimmt er.
Ergänzt wird das Buch durch viele grafische Erläuterungen,
über fünfzig zum Teil spektakuläre Farbaufnahmen und einen ausführlichen
Anhang, der unter anderem Anmerkungen zu Stammbäumen und Rekonstruktion sowie
ein umfassendes Quellenverzeichnis und Register enthält.
"
Wenn ich als
heimkehrender Wirt die ganze Pilgerreise Revue passieren lasse, an der ich
teilnehmen durfte", sinniert Richard Dawkins in seinem Schlussplädoyer,
"
überfällt mich vor allem ein Gefühl
des Staunens. Ich staune nicht nur über die Fülle ungewöhnlicher Einzelheiten,
die uns begegnet sind, sondern auch darüber, dass solche Einzelheiten überhaupt
auf einem x-beliebigen Planeten vorhanden sind. Das Universum hätte ohne
weiteres leblos und einfach bleiben können - nur mit Physik und Chemie, nur mit
dem fein verteilten Staub der kosmischen Explosion, die Raum und Zeit
hervorbrachte. Die Tatsache, dass das nicht geschah [...], ist so
atemberaubend, das jeder Versuch, ihr mit Worten Gerechtigkeit widerfahren zu
lassen, töricht wäre."
Fazit:
Richard Dawkins ist es gelungen, mit seinem wundervollen
Buch eben jenes von ihm angesprochene Staunen beim Leser neu zu aktivieren und
auf unnachahmliche Weise das populäre Verständnis der Evolution von einigen
hartnäckigen Vorurteilen zu befreien.
Ein äußerst lesens- und nachdenkenswertes Buch, das sich
wohltuend von seinem letzten Werk "Der
Gotteswahn" unterscheidet.