Im vanilleduftenden Untergeschoß eines Einkaufszentrums in Berlin zählt für Simone nur eine Dreiviertelstunde an den Donnerstagen. Dort ist sie Kosmetikerin, cremt und massiert aus Tiegeln und Töpfen schlaffe und faltige Haut meist schweigender Kunden. Doch donnerstags abends kommt ER, der Mann mit dem Maßanzug, der ihr viel erzählt, wovon sie viel nicht versteht. Sie spürt Seelenverwandschaft und weiß immer erst viel zu spät, was sie ihm auf seine kleinen Fragen antworten könnte. Für ihn nennt sie sich Mona, zieht extra dünne Stumpfhosen an, pudert sich den Auschnitt. Sie ist verliebt und erträgt all die lange Zeit mit den üblichen Symptomen irgendwie bis er wieder zum Termin kommt.
Nachdem er ihr eines Tages „Feuilleton“ auf eine Serviette kritzelt, beginnt sie, seine Zeitung zu lesen, sucht darin nach seinen Artikeln und findet sie auch. Sie kauft sich die Zeitung wie eine Aufgabe, die es zu bewältigen gilt und arbeitet sie durch. Schneidet seine Artikel aus, schlägt im Wörterbuch nach, kann sie auswendig. Nach und nach eignet sie sich tages- und kulturpolitisches Wissen an und lässt es in einzelnen Worten in den üblichen Monolog ihres liebsten Kunden tröpfeln, wenn er unter ihren Händen liegt. Doch der Mann zieht sich zurück, am Ende kommt er nicht mehr, als sie auf seine rhetorischen Fragen eine Antwort geben konnte.
Leise ereignet sich Simones Leben in der Großstadt Berlin stellvertretend für so viele andere Immigrantenschicksale: früh zur Arbeit, spät nach hause, manchmal mit den Kolleginnen, die über ihre Männer erzählen, fremd, aber nicht resigniert, einfach nur so geht es dahin. Einziger Glanzpunkt darin ist die Illusion des Feuilletonredakteurs (der taz?), der sich im Dozieren auf der Pritsche einer kleinen Kosmetikerin gefällt, die ihm intellektuell nicht das Wasser reichen kann. Als sie sich zu ihm vorarbeitet, aus Liebe und um ihn zu verstehen, so wie er sie zu verstehen scheint, wenn er ihr Allerweltssätze hinwirft, die sie als Botschaften nur für sich begreift, bedroht sie seinen Wissensvorsprung und wird verstoßen.
In ruhigem Stil erzählt Katja Kullmann, wie sich Simone zielstrebig durch ihr Leben arbeitet und mit dieser stillen Zielstrebigkeit und ihrer Dynamik an Grenzen stößt. Nie scheint sie dumm, selten einfältig, sie ist ein kleiner sympathischer Charakter, der immer wie ein Stehaufmännchen zu rattern scheint, jedoch ohne Geist und scheinbar ohne sich wirklich wehzutun. Wunderbar einfach ist die Beschreibung ihrer Verliebtheit und ihres Arbeitsplatzes im Kosmetiksalon, gut beobachtet und nüchtern erzählt. Die Aura des Anzugredakteurs zerplatzt an Simones Beharrlichkeit, dagegen kehrt sich ihre Unbedarftheit selbst mit all dem angelesenen Wissen um in Wahrhaftigkeit und lässt sie als lebendigeren Menschen erscheinen.