Aristoteles in platonischer Perspektive. Die Seelenlehre im Kommentar des „Simplikios“ zu Aristoteles’ De anima*

Dr. Matthias Perkams

Seit einigen Jahrzehnten steht die Arbeit des Aristoteles wieder im Brennpunkt der philosophischen Diskussion1. Das gilt nicht zuletzt für seine Psychologie, wie sie besonders in seiner Schrift Über die Seele niedergelegt ist. Das heutige Interesse an dieser Schrift bezieht sich besonders auf Aristoteles’ Ansicht über das Verhältnis von Körper und Seele. Denn seine Theorie, deren berühmter Kernsatz darin besteht, dass „die Seele die Form des Körpers“ sei, erscheint nicht wenigen gegenwärtigen Philosophen als ein attraktiver Ansatz zur Überwindung des Dualismus von Leib und Seele, der seit Descartes Unterscheidung von res extensa und res cogitans ein zentrales Problem der philosophischen Anthropologie darstellt. Gegenüber der recht unvermittelten Gegenüberstellung zweier scharf getrennter Wirklichkeitsbereiche, die die neuzeitliche und moderne Diskussion bestimmt, soll mit Hilfe des aristotelischen Ansatzes der enge Zusammenhang und die gegenseitige Bezogenheit von Körper und Seele gedacht werden können.

Vor diesem Hintergrund ist es interessant, Aristoteles nicht nur immanent zu lesen, sondern ihn auch vor dem Hintergrund der antiken Diskussion seiner Thesen zu betrachten. Denn bereits in den ersten 1000 Jahren nach ihrem Entstehen war Aristoteles’ Seelenlehre ein konstanter Gegenstand der Diskussion, die sich zwischen den verschiedenen Schulen abspielte2. Besonderes Interesse darf dabei im Sinne des Titels des heutigen Vortrags diejenige Aristoteles-Interpretation in Anspruch nehmen, die die Thesen des Stagiriten von einer platonischen Warte aus in den Blick nimmt. Denn im Gegensatz zu der grundsätzlich unitarischen Sicht des Aristoteles geht eine platonische Theorie von einer wesentlichen Verschiedenheit des sinnenhaften Körpers und der körperlosen, intelligiblen Seele aus. Dieses Seelenverständnis dominierte die antike Philosophie spätestens seit dem 3. Jahrhundert n. Chr., und über mehrere Jahrhunderte war der so entstandene Neuplatonismus de facto identisch mit der gesamten professionellen Philosophie zumindest im griechischsprachigen Bereich. Es ist wohl eines der interessantesten und prägendsten Fakten der weiteren Philosophiegeschichte, dass trotz dieser Festlegung auf die Weltsicht von Aristoteles’ großem Gegenpart die Schriften des Peripatetikers dauernd weiter gelesen und unversehrt ins Mittelalter und in die Neuzeit tradiert wurden.

Interessant ist aber auch das systematische Ergebnis dieser Begegnung zweier unterschiedlicher Formen des Philosophierens, dem ich mich zurzeit im Rahmen eines größeren Forschungsprojekts widme. Ziel dieses Projektes soll es sein, die neuplatonischen Aristoteles-Kommentare in ihrem philosophischen Gehalt zu untersuchen und zu würdigen. Dabei möchte ich überprüfen, welche philosophischen Theorien die Kommentatoren entwickeln, um Aristoteles’ Text vor dem Hintergrund ihrer Zeit verstehen zu können. Dabei interessiert mich einerseits die Frage, wie das neuplatonische Denken durch die intensive Aristoteles-Kommentierung beeinflusst wurde, inwieweit man vielleicht von einem „aristotelisierenden Neuplatonismus“ sprechen kann. Andererseits möchte ich mir über die philosophischen Anfragen klar werden, die aus der Perspektive seiner spätantiken Kommentatoren an Aristoteles zu stellen sind.

Erste Ergebnisse meiner Untersuchungen möchte ich im Folgenden anhand einer Analyse des einzigen vollständig erhaltenen griechischen Kommentars zu Aristoteles’ De anima vorstellen.

1. Ziel des Vortrags: Anstoß zu einer Neubewertung dieses Kommentars

Dieser ausführliche Kommentar ist unter dem Namen des großen Aristoteles-Auslegers Simplikios überliefert3. Obwohl diese Zuschreibung nicht unumstritten ist4, gibt es keinen Zweifel daran, dass der Kommentar im gleichen historischen und philosophischen Umfeld entstanden ist, in dem auch Simplikios gewirkt hat. Im Folgenden werde ich den Kommentator daher durchweg „Simplikios“ nennen, ohne damit eine Stellungnahme in der laufenden Diskussion zu beabsichtigen. Das Umfeld des Kommentars ist der Neuplatonismus der Schulen von Athen und Alexandria im 6. Jahrhundert, der sich besonders intensiv mit den Schriften des Aristoteles auseinandersetzte und zahlreiche Kommentare zu verschiedenen Schriften des Corpus Aristotelicum schuf5.

Diese Aristoteles-Kommentierung der Neuplatoniker war nicht in erster Linie eine historische Kommentierung; vielmehr hatten die Kommentatoren zu zeigen, dass die Philosophie des Aristoteles mit der Platons sachlich übereinstimmte. Die feststellbaren Unterschiede zwischen beiden Denkern wurden zum Beispiel dadurch erklärt, dass Aristoteles eine andere Terminologie verwendet habe als Platon, oder dass er nicht gegen diesen, sondern gegen seine falschen Ausleger polemisiert habe. Als Ergebnis einer solchen Harmonisierung konnte die Autorität des Aristoteles für die eigene Philosophie in Anspruch genommen werden; gleichzeitig wurden viele seiner Ansichten als Teile des neuplatonischen Lehrgebäudes integriert. Das führt dazu, dass die neuplatonischen Kommentare nur mit Vorsicht dazu benutzt werden können, die Texte des Aristoteles in ihrem ursprünglichen Sinn zu verstehen, sondern in erster Linie die systematische Antwort der Kommentatoren auf die von Aristoteles aufgeworfenen Fragen wiedergeben.

All das trifft in besonderem Maße auf den De anima-Kommentar zu, den ich im Folgenden untersuchen möchte: „Simplikios“ liest den aristotelischen Text ganz offen von der Warte einer zuvor erläuterten eigenen Theorie, die eindeutig neuplatonisch geprägt ist6. Aristoteles’ Worte werden so erklärt, dass sie mit diesem Gedankengebäude des Kommentators übereinstimmen, auch wenn ihre ursprüngliche Bedeutung dabei wesentlich verändert wird. Wer also Aristoteles’ Seelenlehre in sich verstehen will, der hat von dieser Schrift wenig Hilfe zu erwarten, und entsprechend negativ ist das Urteil über den Kommentar häufig ausgefallen.

Betrachtet man den De anima-Kommentar jedoch als eine philosophische Schrift in ihrem eigenen Recht, kommt man, denke ich, zu einem anderen Urteil. Dann zeigt sich nämlich, wie der Löwener Philosophiehistoriker Carlos Steel gezeigt hat7, dass „Simplikios“ über eine sehr originelle und interessante eigene philosophische Lehre von der Seele verfügt, mit deren Hilfe er Aristoteles’ Text liest. Dieser Ansicht möchte ich mich im Folgenden anschließen und sie noch vertiefen. Meine Überlegungen lassen sich in drei Thesen zusammenfassen:

1) „Simplikios“ sucht bewusst eine sachorientierte Auseinandersetzung mit Aristoteles auf dem Hintergrund des philosophischen Wissens der eigenen Zeit. Sein Ziel ist kein historisches Verständnis der aristotelischen Philosophie, sondern die Auseinandersetzung mit ihr bei der Entwicklung einer eigenen Theorie.

2) Diese Theorie ist völlig neuplatonisch und nicht primär peripatetisch. Das zeigt sich daran, dass für „Simplikios“ die Seele etwas anderes ist als der Körper und von ihm abtrennbar. Zwar ist es eine Funktion der Seele, aus dem Körper ein Lebewesen zu machen, doch bleibt die Seele auch von dem so entstandenen Wesen so verschieden wie ein Handwerker von seinem Werkzeug.

3) In ihrem sachlichen Gehalt und der sprachlichen Form zeigt „Simplikios’“ Theorie deutlich, dass sie aus einer Auseinandersetzung mit Aristoteles’ Seelenlehre erwachsen ist. Das zeigt sich konkret daran, dass das Verhältnis von Körper und Seele in der aristotelischen entelécheia-Terminologie ausgedrückt wird, und daran, dass die Sonderstellung des aristotelischen noûs in der Seele gewahrt bleibt.

Diese drei Thesen sind im Folgenden zu begründen und zu erläutern. Nach einigen Worten zum Selbstverständnis des Kommentators gehe ich daher zunächst auf sein Verständnis von entelécheia und dann auf seine noûs-Lehre ein.

2. Das Selbstverständnis des Kommentators

Im ersten Abschnitt seines Kommentars erläutert „Simplikios“, dass er Aristoteles deswegen kommentieren will, weil dieser nach Meinung des großen neuplatonischen Philosophen Jamblich die Seelenlehre vollendet hat, wobei jedoch über seine Ansichten und die damit zusammenhängende Frage nach der sachlichen Wahrheit keine Einigkeit bestehe. Er, „Simplikios“, habe sich deswegen vorgenommen, Aristoteles’ Text entsprechend der philosophischen Wahrheit über die Seele zu lesen, die der genannte Jamblich in seiner eigenen Schrift zum Thema dargestellt hat8.

Diese Vorbemerkung zeigt deutlich, dass „Simplikios“ seine Aristoteles-Kommentierung als einen sachlichen Beitrag zur philosophischen Diskussion unter den Neuplatonikern seiner Zeit versteht: Der historische, autoritative Text des Aristoteles bietet dem Kommentator die Gelegenheit, die Wahrheit richtig darzustellen. Wie weit „Simplikios“ dabei im Einzelnen seinem genannten Vorbild gefolgt ist, wissen wir leider nicht, denn dessen eigene Schriften zum Thema sind fast vollständig verloren. An einer Stelle, auf die ich noch zu sprechen komme, gesteht er selbst eine Abweichung von diesem Vorbild ein. Damit kann man ihm auch im Rahmen der neuplatonischen Tradition eine gewisse Selbständigkeit zusprechen, die es erforderlich macht, die philosophische Theorie, die seinem Kommentar zugrunde liegt, unter Berücksichtigung ihrer historischen Bezugspunkte für sich zu erheben. Das möchte ich im Folgenden tun. Zuerst ist es jedoch nötig, einige historische Grundlagen der antiken Seelenlehre in Erinnerung zu rufen.

3. Antike Traditionen der Seelenlehre

Aristoteles zufolge ist die Seele die „Form“ (eîdos) bzw. die „erste Verwirklichung (entelécheia) des physischen Leibes, der der Möglichkeit nach Leben hat“ (de an. 2, 1, 412a 19-21. 27f.). Diese Definition bedeutet im aristotelischen Verständnis eine direkte Bezogenheit der Seele auf den Körper, dessen implizite Möglichkeiten durch die Existenz der Seele verwirklicht werden9. Für Aristoteles impliziert diese Formel auch, dass die Einheit von Leib und Seele schon deshalb außer Frage steht, weil die Verbindung eines Stoffes mit seiner Form bzw. der Verwirklichung der in ihm liegenden Möglichkeiten die zentrale Definition von Einheit überhaupt darstellt (de an. 2, 1, 412b 6-10). Diese Einheit betrifft im aristotelischen Verständnis die Seele als ganze mit allen ihren Funktionen und Elementen mit der einen Ausnahme des Verstandes, des noûs, dessen Abtrennbarkeit von der Leib-Seele-Einheit er für möglich hält (de an. 2, 1, 413a 6-9; 3, 4, 429a 11).

Dieses Menschenbild kann so von einem platonischen Philosophen nicht unverändert übernommen werden. Denn für einen Platoniker existiert die Seele natürlicherweise und primär als unsterbliche Wesenheit unabhängig von jedem Körper und geht mit diesem erst sekundär eine Verbindung ein. Diese Verbindung ist prinzipiell auflösbar, so dass das Verbundene aus Körper und Seele vergänglich ist, ohne dass die Unsterblichkeit der Seele bestritten werden muss.

Die platonische Konzeption wird von Plotin übernommen, wenn auch mithilfe von Lehrmeinungen des Aristoteles weiter ausgeführt. Diese betreffen besonders die Identität des Verstandes mit seinen Objekten und die Beschreibung der verschiedenen Funktionen wie Sinneswahrnehmung, Vorstellung, Erinnerung, logisches Denken, Wollen usw., die die Seele in Verbindung mit dem Körper ausführt10. Dagegen wird die Formel von der Seele als Verwirklichung des Körpers von Plotin zumindest dann abgelehnt, wenn sie eine Untrennbarkeit der Seele vom Körper impliziert11. Das gilt wahrscheinlich auch für „Simplikios’“ Vorbild Jamblich.

Der Grund dafür war, dass die Neuplatoniker entelécheia, wenn sie den Begriff überhaupt verwandten, im Sinne des geläufigeren eîdos verstanden, eines Terminus, der ihren Zielen wesentlich mehr entgegenkam. Denn der Begriff ermöglichte eine Verschmelzung aristotelischer und platonischer Gedanken. Er bezeichnet ebenso die aristotelische, mit dem Stoff verbundene Form wie die vom Stoff trennbare platonische Idee. Damit bietet er einen Ansatzpunkt, von dem aus man den aristotelischen Hylemorphismus im Sinne einer platonischen Ideenlehre deuten kann. Der Theorie, die sich daraus ergibt, zufolge steht allein das eîdos für die Wirklichkeit des Dinges, während das Zusammengesetzte aus eîdos und Materie nur im abgeleiteten Sinn als wirklich gelten kann.

4. eîdos und entelécheia nach „Simplikios“

Es ist nun ein interessanter Zug im Kommentar des „Simplikios“, dass er das aristotelische entelécheia übernimmt und das Wort zum Schlüsselbegriff der Beschreibung des Verhältnisses von Leib und Seele macht. Er versteht entelécheia dabei durchaus aristotelisch im Sinne von enérgeia, d. h. der Verwirklichung einer einem Dinge inne wohnenden Möglichkeit. Diese Verwirklichung einer Möglichkeit, also ein ganz aristotelischer Gedanke, hilft „Simplikios“ zu erklären, was die transzendente Idee, die jede menschliche Seele hat, ohne dass sie mit ihr identisch ist12, mit dem aus Körper und Seele bestehenden Wesen Mensch zu tun hat. „Simplikios“ benutzt also das aristotelische Konzept der entelécheia, um zu verdeutlichen, was das platonisch verstandene eîdos der Seele für das beseelte Lebewesen bedeutet. Das eîdos - zumindest insofern es eine transzendente reine Idee bezeichnet - ist also für ihn nicht dasselbe wie die entelécheia13.

Auf diese Weise hilft ihm der Begriff entelécheia, mit der Hauptschwierigkeit fertig zu werden, mit der sich die Seelenlehre des späten Neuplatonismus konfrontiert sieht: Von den Philosophen dieser Zeit wird so stark darauf geachtet, eine Berührung der immateriellen Ideen mit der materiellen Welt zu vermeiden, dass man zwischen beiden eine ganze Reihe von Entitäten ansetzt, die eine direkte Berührung der beiden Gegenpole Materie und völlig materielose Idee verhindern. Damit stellt sich in der Seelenlehre die Frage, wie angesichts dieser deutlichen Trennung überhaupt noch die Einheit von Körper und Seele gedacht werden kann. Wenn „Simplikios“ zur Lösung dieser Schwierigkeit auf den Begriff der entelécheia zurückgreift, handelt er durchaus im aristotelischen Sinne; denn auch Aristoteles bezog mit diesem Begriff die seelische Wirklichkeit auf die Möglichkeiten des Körpers. Doch stützt „Simplikios“ mithilfe des entelécheia-Konzepts eine Theorie, die einen möglichst weiten Abstand zwischen dem Körper und dem eîdos, das ihn als die Seele, die sich mit ihm vereinigt zum menschlichen Leib macht, zu begründen sucht, während Aristoteles selbst damit gerade die enge Verbundenheit der beiden Größen zeigen wollte. Deswegen entwickelt „Simplikios“ ein ganz anderes Bild von der Art, in der die Seele entelécheia des Körpers ist, als Aristoteles es getan hat.

5. Die beiden Formen des entelécheia-Seins der Seele

Das zeigt sich bereits an der Grundthese, die er zu Beginn seines Kommentars entfaltet. Sie besagt, dass die Seele in zweierlei Weise die Verwirklichung des Körpers darstellt14. Zum einen nämlich stelle sie den Grund dafür dar, dass die ungeformte Materie des Körpers zu einem lebendigen Leib werde, der als solcher die Möglichkeit in sich trage, bewegt zu werden. Andererseits sei die Seele die Verwirklichung dieses Leibes, indem sie ihn bewege15. Was „Simplikios“ damit meint, erläutert er gerne mit dem Bild eines Schiffes, das er im aristotelischen Text vorfindet. Das für den Bau dieses Schiffes bestimmte Holz verwirkliche die in ihm liegenden Möglichkeiten erst dann, wenn es tatsächlich zu einem solchen Schiff verbaut sei; daher sei das Schiff die entelécheia des Holzes. Ganz anders als das Schiff verhalte sich der Steuermann zu diesem Holz, denn er lenke zwar das Schiff, sei aber grundsätzlich von ihm trennbar. Trotzdem sei auch er eine Verwirklichung der im Holz liegenden Möglichkeiten, denn das Schiff, und damit auch das dafür verwendete Material, erreiche erst seinen ganzen Zweck, wenn das Schiff auch übers Meer fahre; und dazu ist der Steuermann notwendig16. Ebenso muss nach „Simplikios“ die Seele aus geeigneter Materie erst einen Leib machen und dann diesen Leib bewegen, um alle in der Materie des Körpers angelegten Möglichkeiten zu verwirklichen.

Dieses zweistufige Bild der Seele kombiniert ganz offensichtlich ein aristotelisches und ein platonisches Element17: Insofern die Seele das konstituierende Element des Lebewesens ist, das sich als lebendiges Wesen von der gestaltlosen Materie unterscheidet, wird der aristotelische Gedanke, dass die Seele das Form gebende Moment des Körpers ist, gewahrt. Umgekehrt trägt die Seele, die das so entstandene Wesen bewegt, von ihm aber abtrennbar ist, wie der Steuermann von dem Schiff, auf dem er fährt, eindeutig platonischen Charakter. Denn nach Aristoteles’ Theorie ist auch die Bewegung eine Funktion der Seele, die mit dem Körper als dessen Verwirklichung untrennbar verbunden ist und auch mit ihm stirbt. Trotz dieses gravierenden Unterschieds zu Aristoteles hat „Simplikios“ aber die Möglichkeit, mit seinem Konzept die Formulierungen des Aristoteles, die die Einheit von Körper und Seele betonen, im neuplatonischen Sinne zu erklären.

Im Folgenden sind nun die beiden Formen des entelécheia-Seins der Seele näher zu erläutern; ich beginne mit der Seelenfunktion, den Körper lebendig zu machen.

6. Die Seele als entelécheia des Körpers

Indem „Simplikios“ diesen Gedanken entwickelt, nimmt er zwar terminologisch Aristoteles auf, doch entfernt er sich nicht von neuplatonischen Kerngedanken. Denn schon Plotin, nicht anders als Aristoteles und möglicherweise von ihm beeinflusst, hatte angenommen, dass der Leib, mit dem sich die transzendente Seele vereinigt, in geeigneter Weise auf diese Vereinigung vorbereitet sein muss18. Das entspricht sachlich „Simplikios’“ Annahme, dass der Körper durch die Vereinigung mit der Seele bewegbar wird; ein Unterschied besteht lediglich in der aristotelischen Terminologie.

Ein sachlicher Unterschied scheint insofern zu bestehen, als „Simplikios“, ebenso wie die übrigen Philosophen der Schule des Damaskios, annimmt, dass die Beseelung des Leibes und dessen spätere Benutzung als bewegtes Werkzeug beides das Werk ein- und derselben individuellen Seele ist19; lediglich die Schaffung des materiellen, unbelebten Körpers ist der Natur zuzuschreiben, die von „Simplikios“ ausdrücklich vom Seelischen unterschieden wird20. Dagegen scheint Plotin zu der Auffassung zu tendieren, dass die niederen Formen des Lebens, also insbesondere die Fähigkeiten sich fortzupflanzen und zu ernähren, das Werk der unteren, als Natur in der Materie wirkenden Stufe der Weltseele seien21. Der menschliche Körper würde dann von einer anderen Seele belebt als von der des individuellen Menschen - ein Gedanke, den „Simplikios“ offenbar nicht erwägt.

„Simplikios’“ Annahme ist möglicherweise durch seinen Bezug auf Aristoteles zu erklären22: Denn ohne die Annahme einer Beseelung des Leibes durch die auch bewegende Seele lässt sich kaum eine plausible Auslegung des aristotelischen Konzepts denken, dass eine Seele die entelécheia des ganzen Lebewesens ist, von dem „Simplikios“ nicht abweichen will. Dazu nimmt er auch gewisse Schwierigkeiten in Kauf: Er muss annehmen, dass die gleiche Seele, die das Lebewesen benutzt und bewegt, ihm gegenüber eine zweite, von der ersten verschiedene Funktion hat, nämlich die vorhergehende Belebung dieses Leibes. Damit droht zum einen die Gefahr, die so sehr gesuchte Distanz der Idee der Seele zum Körper aufzuheben, und andererseits müssen der einen Seele zwei verschiedene Funktionen in Bezug auf den Körper zugeschrieben werden. Wie lässt sich aber dann erklären, dass der durch diese bewegende Seele belebte Körper nicht auch selbst in der Lage ist, sich zu bewegen, sobald er von der Seele bestimmt ist?

Offenbar bewegen diese Schwierigkeiten „Simplikios“ dazu, sehr vorsichtig zu verfahren, wenn er die Belebung des Körpers als die erste entelécheia schildert, die die Seele am Körper vollbringt. Er sieht dieses Geschehen nicht als eine direkte Wirkung der Seele selbst, sondern meint, die Belebung erfolge „entweder durch einen Teil der Seele oder nicht ohne die Seele“. An anderer Stelle spricht er sogar davon, dass hieran „Bild der Seele“ beteiligt war, und greift eine plotinische Terminologie auf23. Diese Aussagen führt „Simplikios“ zwar auf Aristoteles zurück, doch sind sie bei diesem weder zu finden noch passen sie mit seiner Theorie der Seele im Leib zusammen. Aristoteles nimmt ganz im Gegenteil an, dass die ganze Seele in jedem selbständigen Teil eines Lebewesens gegenwärtig ist, mit der möglichen Ausnahme des Denkvermögens bzw. des noûs (de an. 2, 2, 413b 18-29). daher wird man nicht fehlgehen, in ihnen eine erste Reaktion des „Simplikios“ auf die oben angesprochenen Schwierigkeiten zu sehen.

„Simplikios“’ Reserve, das Subjekt der Belebung des Körpers einfach „die Seele“ zu nennen, wird deutlicher, wenn er die aristotelische Aussage auslegt, die Seele sei die entelécheia „des natürlichen Leibes, der der Möglichkeit nach Leben hat“ (de an. 2, 1, 412a 20). Diese Aussage bezieht sich „Simplikios“ zufolge, wie gesagt, nur insofern auf die Seele, als sie den Körper belebt24. Er erläutert das dadurch, dass die Seele in dieser Funktion nicht zu den Ideen gehöre, sondern nur insofern als Idee zu bezeichnen sei, als sie die genannte Funktion einer Formursache (eidetikè aitía) einem physischen Körper gegenüber ausübe. Daher sieht „Simplikios“ in ihr „einen bestimmten lógos aus dem Umkreis der Lebensform“25. Als lógos, einen Begriff, den er seiner aristotelischen Vorlage entnimmt, bezeichnet „Simplikios“ eine bestimmte Wirkkraft der Idee, die deren Gehalt in die Verbindung mit dem Körper einbringt.

Diesem Gedanken liegt eine Grundvorstellung des Neuplatonismus zugrunde, nämlich die Annahme, dass die Menge verschiedener Aspekte, die einem existierenden Gegenstand oder Lebewesen innewohnen, sämtlich in der Idee dieses Gegenstands enthalten sind, aber nicht voneinander getrennt, sondern in der Art einer nicht mehr aufspaltbaren Einheit. Die Entstehung eines einzelnen Gegenstandes aus der Idee erklärt sich dann so, dass diese Aspekte als einzelne zu subsistieren beginnen und in dem jeweiligen Gegenstand voneinander getrennt bestehen. Daher verstehen die Neuplatoniker Erkenntnis auch als den Vorgang, der aus der Mannigfaltigkeit erkennbarer Erscheinungen in mehreren Stufen auf die hinter dieser Mannigfaltigkeit stehende eine Idee zurückschließt.

Diese Auflösung der Einheit in das Mannigfaltige hinein vollzieht sich auch, wenn eine Idee durch eine Seele hindurch in Verbindung mit vorliegender Materie ein menschliches Wesen schafft. Die Belebung des Körpers ist für „Simplikios“ der äußerste Schritt dieses Prozesses des Aus-Sich-Herausgehens der transzendenten, der Seele zugrunde liegenden Idee, in dem sich diese mit den unter ihr stehenden Seinsschichten vereinigt. Wenn sie als Seele die ungeformte Materie des Körpers belebt, ist sie aus der reinen Identität der Ideenwelt bereits in den Bereich der natürlichen Ideen (physikà eíde) hinabgestiegen, die sich direkt auf einzelne Naturgegenstände mit ihren vielfältigen Merkmalen beziehen; auch das rationale Denken der Seele erfasst nicht mehr intuitiv ein Objekt als das, was es ist, sondern verläuft weitgehend propositional, ist also auf voneinander unterschiedene Begriffe bzw. Konzepte angewiesen und kann nur versuchen, sich der in der Idee gegebenen Einheit gleichsam rekonstruierend anzunähern. Daher ist es nur noch ein Aspekt der Idee der Seele, der in die Verbindung mit dem physischen Körper eintritt und diesem Leben verleiht. Dieser Aspekt ist der genannte lógos, der die Vielzahl der in der Idee enthaltenen Merkmale an und in dem aus Körper und Seele neu entstandenen Wesen entfaltet. Für das leibhafte Wesen erfüllt dieser lógos jedoch die Rolle einer Ideen- bzw. Formursache, weil durch die Begegnung des lógos mit dem Körper das leibliche Lebewesen konstituiert und damit verwirklicht wird.

7. Die bewegende Seele als entelécheia des leiblichen Wesens

Von hier ergibt sich „Simplikios“ zufolge automatisch die Verbindung zur Seele als Bewegungsprinzip. Denn dass der natürliche Körper zum lebendigen Leib wird, bedeutet in der Sicht des neuplatonischen Kommentators, dass er in die Lage versetzt wird, auch die zweite Verwirklichung des Lebewesens aufzunehmen, nämlich die bewegende Seele. Denn diese doppelte Bestimmung des Körpers durch zwei entelecheíai unterscheidet die lebenden Wesen von anderen Naturgegenständen, die zwar auch durch die Verbindung von Materie mit einer Idee konstituiert werden, aber eben nicht so, dass sie beseelt sind, also bereit, der Seele als Werkzeug zu dienen, das heißt, aus ihrem eigenen Inneren heraus bewegt zu werden26.

Insofern die Seele, die den Leib bewegt, als eine Entität aufgefasst wird, die vom Leib ganz verschieden ist und ihm von außen zukommt, ist das von der aristotelischen Vorstellung von der Seele als entelécheia des Leibes wesentlich verschieden. Dass „Simplikios“ besonderen Wert auf dieses Faktum der Trennbarkeit legt, zeigen schon seine Metaphern, wenn er die Beziehung vom Leib zur Seele mit der eines Schiffes zu einem Steuermann oder der eines Werkzeugs zu seinem Benutzer vergleicht27. Das erste Beispiel akzentuiert die Trennbarkeit der Seele vom Leib besonders deutlich, denn natürlich ist, wie gesagt, die Verbindung des Steuermanns zu seinem Schiff so, dass er es jederzeit verlassen kann. Allerdings lässt sich die Parallelität zwischen dem Steuermann und der Seele im Sinne des „Simplikios“ durchaus noch weiter ausdehnen. Denn der Steuermann kann das Schiff zwar verlassen, aber nicht während der Fahrt auf dem Meer, denn dort ist er ebenso auf das Schiff angewiesen wie dieses auf seinen Lenker. Genauso ist die Seele, solange sie in einer materiellen Welt lebt, notwendig mit ihrem Körper verbunden, denn nur mit seiner Hilfe kann sie sich zur Welt verhalten und in der Welt erhalten28.

8. Sinneswahrnehmung als Grund der Einheit von Leib und Seele beim Erkennen

Diese Angewiesenheit der Seele auf den Leib während ihrer Existenz in der materiellen Welt ergibt sich zum einen aus der Notwendigkeit der Ernährung mithilfe körperlicher Organe29, gilt aber vor allem auf dem Gebiet der Erkenntnis, der vornehmsten Form der Seelenaktivität für den Neuplatoniker. Zwar hat die Seele aus sich heraus Kenntnis von den Ideen aller Dinge, da sie in ihrer höchsten Form ein reiner Verstand – hiermit übersetze ich das griechische noûs – ist30. Doch benötigt sie zur Identifizierung dieser Ideen in der Welt die Affizierung ihrer Wahrnehmungsorgane durch die sie umgebenden Eindrücke31. Zwar werden in der Sinneswahrnehmung nur Akzidenzien erfasst, also abhängige Identitäten, die nicht mit dem Wesen eines Dinges – der aristotelischen ousía - identisch sind, das alleine der Idee eines Dinges entspricht. Doch auch diese Akzidenzien haben in gewissem Sinne eigene Ideen, mit deren Hilfe die Seele sie bereits im Prozess der Sinneswahrnehmung als bestimmte Dinge zuordnen kann.

An der Sinneswahrnehmung wird besonders deutlich, wie sich „Simplikios“ das doppelte entelécheia-Sein der Seele gegenüber dem Leib vorstellt und warum hier eine notwendige Wechselwirkung beider Formen von entelécheia angenommen wird: Ohne seine vorhergehende Beseelung wäre der Körper gar nicht geeignet dazu, Wahrnehmungen zu machen, die von der Seele mithilfe der ihr innewohnenden Ideen erkannt werden können; daher unterscheidet „Simplikios“ zwei Ursachen, die der sinnlichen Wahrnehmung durch die Seele vorausliegen, nämlich eine stoffliche, d. h. das Organ als rein körperliche Größe, und die wahrnehmende Seele, insofern sie dieses Organ formt und damit zum Lebensorgan macht32. Die Affizierbarkeit durch die Objekte der Sinneswahrnehmung als notwendige Bedingung jeder Erkenntnis über diese Objekte33 hängt also von dieser vorhergehenden Beseelung des Körpers ab, die ihn zum lebendigen Leib macht34. Jede Erkenntnis, die die Seele über die materielle Welt macht, in der sie sich mit ihrem Körper befindet35, hängt an dieser ersten Sinnesaffizierung, die nur durch die Belebung des Leibes „nicht ohne die Seele“ gegeben ist.

Diese bloße Affizierung durch äußere Objekte, zumal wenn sie einen niedrigen Status in der Seinshierarchie einnehmen (was die einzelnen aisthetá im Unterschied zu den allgemeinen epistetá, den Objekten des diskursiven Denkens, tun)36, reicht allerdings in neuplatonischer Perspektive nicht aus, um in der Sinneswahrnehmung eine Tätigkeit der Seele zu sehen. Ich sage bewusst „Tätigkeit“, denn das griechische enérgeia, also Tätigkeit bzw. Aktivität, ist in neuplatonischer Perspektive das entscheidende Merkmal, das das unkörperliche Seelische gegenüber allem Materiellen bzw. bloß Natürlichem auszeichnet. Jedes einzelne Vermögen der Seele verhält sich nach dieser Theorie gegenüber allen materiellen Objekten aktiv, also auch die sinnliche Wahrnehmung37. Für „Simplikios“ ist daher die Affizierung des Sinnesorgans durch das äußere, materielle Objekt noch keine seelische Wahrnehmung, sondern lediglich deren Vorbedingung38. Die Wahrnehmung als Aktivität der Seele geschieht erst, wenn die durch die Sinnesorgane empfangenen Eindrücke mithilfe der Ideen, die die wahrnehmende Seele aus sich selbst heraus hat, beurteilt werden. Hier kommt zwar keine schöpferische (poietiké), wohl aber eine erkenntnismäßige (gnostiké) bzw. unterscheidende (kritiké) Aktivität der Seele zum Tragen. Aber „Simplikios“ weist auch darauf hin, dass schon die Affizierung des Wahrnehmungsorgans kein rein passiver Vorgang ist, sondern gewisse Momente der Aktivität beinhaltet: Denn die bewegende Seele muss den Wahrnehmungsvorgang im Sinnesorgan erst in Bewegung setzen und ist während des Vorgangs der Wahrnehmung bereits präsent, so dass diese nicht rein passiv, sondern auf eine dem Leben entsprechende Weise geschieht39. Unter diesen Voraussetzungen ist die Wahrnehmung insgesamt und in erster Linie ein aktives Geschehen, bei dem die Seele die sie umgebende Welt im Lichte der ihr bekannten Wahrheit deutet, doch bleibt ein passives Moment notwendig vorhanden.

Da die Erkenntnis über sinnfällige Gegenstände grundsätzlich mit Sinneswahrnehmung anhebt, gilt diese Abhängigkeit der Erkenntnis von einer vorhergehenden, zumindest einmaligen und in gewissem Maße passiven Affizierung des Wahrnehmungsorgans ebenso für die anderen Erkenntnisvermögen, die „Simplikios“ im Anschluss an Aristoteles diskutiert: Die Vorstellungs- und Erinnerungskraft (phantasía) sowie, im Falle von vernunftbegabten Lebewesen wie dem Menschen, die theoretische und praktische diskursive Erkenntnis sowie der intuitive Verstand, insoweit diese rationalen Vermögen ihrerseits wieder auf den Gebrauch der phantasía angewiesen sind. Alle diese Vermögen, und auch die auf ihren Erkenntnissen basierenden Strebevermögen, sind aktive Tätigkeiten, die gleichwohl nicht unabhängig von Erkenntnissen operieren können, die über die Sinnesorgane auf passive Weise gewonnen werden, wenn sie sich auf Gegenstände beziehen, die in der sinnlich wahrnehmbaren Welt existieren40.

Zur Erkenntnis und zum Beobachten dieser sinnlich wahrnehmbaren Welt ist die Seele demnach auf einen Leib angewiesen, der beseelt ist, dessen Organe also zum Erkenntnisgewinn über die Umwelt benutzt werden können. Der so geartete Leib ist andererseits von vornherein auf die Verbindung mit einer Seele ausgerichtet, die ihn bewegt und sich seiner bedient41. Daher macht die erste Verwirklichung der Belebung des Leibes die zweite Verwirklichung der Verbindung mit einer benutzenden Seele erforderlich, sollen die dem Leib immanenten Möglichkeiten nicht ungenutzt bleiben. Diese Seele gehört dann aber nicht mehr dem Bereich der transzendenten Ideen an, sondern alle ihre Vermögen sind auf das Zusammenwirken mit dem beseelten Leib ausgerichtet42.

Von diesem Begriff des Zusammenwirkens ergibt sich auch eine Antwort auf die Frage, wie sich „Simplikios“ die Verbindung von Leib und Seele konkret vorstellt. Denn die Einheit beider ist, wie man wiederum im Bild von Steuermann und Schiff angedeutet finden kann, wesentlich eine Einheit der Wirkung (enérgeia)43. Im Akt der Wahrnehmung werden nach dieser Vorstellung das rein körperliche Sinnesorgan und die Seele, insofern sie dieses Organ zum Lebenswerkzeug bestimmt und insofern sie dieses Werkzeug dann gebraucht, eines, obwohl alle drei Größen durch ihr jeweils verschiedenes Sosein weiterhin verschieden sind. Diese Scheidung ist jedoch in dem entstandenen Wesen eine rein begriffliche, die nachträglich analysiert werden kann, jedoch nicht eine Unabhängigkeit der drei Größen voneinander bzw. von dem durch sie konstituierten Gesamtwesen bedeutet. Denn sowohl das körperliche Organ als auch die beiden lógoi des Seelischen sind von ihrem Wesen her auf diese Verbindung hin ausgerichtet. Das körperliche Organ ist von der Sicht der zweifachen Verwirklichung durch das Seelische her doppelte Möglichkeit: Ohne die Umformung zu einem Wahrnehmungsorgan, das zudem benutzt wird, bleibt die Materie bloße Möglichkeit und beginnt nach einem Prinzip der aristotelischen Metaphysik, das auch im Neuplatonismus allgemein anerkannt ist, nicht, wirklich zu existieren. Aber auch die beiden Formen der wahrnehmenden Seele sind nur dann wirklich, wenn sie ein Stück Materie in gemeinsamem Wirken für die Gesamtseele wesentlich tätig sind: Die belebende Seele existiert von ihrem Wesen her nur in der Wirksamkeit dieser Bestimmung, und die benutzende Seele nur in der Wirksamkeit dieses Gebrauchs. Beide Formen des Seelischen gehen zugrunde, wenn das ihnen als Substrat dienende körperliche Organ, so wie Aristoteles das für möglich hält (de an. 2, 12, 424a 28-32), durch eine zu intensive Einwirkung eines Wahrnehmungsvorgangs verlorengeht44.

Überträgt man diese Ausführungen des „Simplikios“ zur Sinneswahrnehmung auf sein Bild von der Seele als ganzer, insofern sie auf sinnliche Wahrnehmung bezogen und daher eine entelécheia des Körpers ist, so ergeben sich deutliche Konsequenzen: Die so geartete Seele, also alles, was mit diesem Begriff bezeichnet wird, ausgenommen der reine Verstand innerhalb der rationalen Seele45, existiert als eine Wesenheit, die als solche vom Leib nicht trennbar ist46. Mit dem Tod des Leibes endet die Existenz der Seele, insofern sie auf das Zusammenwirken mit ihm ausgerichtet ist. Die Einheit zwischen Körper und Seele, wie „Simplikios“ sie schildert, ist also keineswegs so locker, wie es manche Überblickswerke zum Neuplatonismus nahelegen: Die Seele, die in der materiellen Welt wirkt und erkennt, kann ohne ihren Körper nicht existieren.

9. Die Sonderstellung des noûs

Hier schließt sich natürlich sogleich die Frage an, wie mit diesem Bild die platonische Kernthese zu vereinbaren ist, dass die Seele eine vom Körper unabhängige Entität darstellt, die bereits vor der Vereinigung mit dem Körper existiert hat und daher auch Unsterblichkeit genießt. Es ist bei einem neuplatonischen Kommentator ausgeschlossen, dass er auf diesen Zentralsatz seiner Philosophie verzichtet.

„Simplikios“ löst diese Schwierigkeit, indem er auf ein Kernelement aristotelischer Terminologie zurückgreift, das, in unterschiedlichen Interpretationen, zum Gemeingut der antiken Philosophie geworden war. Gemeint ist die Theorie des noûs, die Aristoteles im Dritten Buch von De anima ausführt (de an. 3, 4-8). Dieser Text war bereits seit dem Mittelplatonismus vor Plotin ein Scharnier, an dem aristotelisches und platonisches Gedankengut verbunden wurden. Das geschah durch die Annahme, dass die intelligiblen Objekte des noûs, mit denen er nach aristotelischer Lehre zumindest in der Aktivität des Erkennens identisch ist (de an. 3, 4, 430a 3-5), nichts anderes sind als die platonischen Ideen47. Diese Gleichsetzung galt natürlich in erster Linie für den überindividuellen göttlichen noûs, wie er besonders in im 12. Buch von Aristoteles’ Metaphysik diskutiert wird, doch auch für den menschlichen noûs, den wir nach Meinung der neuplatonischen Kommentatoren in De anima kennenlernen48.

„Simplikios“ zufolge steht dieser menschliche noûs in direkter Abhängigkeit vom göttlichen noûs, an dessen unterer Stufe er Anteil hat, von dem er jedoch insofern verschieden ist, als er selbst auf etwas anderes - die Seele - bezogen ist49. „Simplikios“ unterscheidet, zur Interpretation der aristotelischen einer aktiven und einer passiven Form des noûs, die in der Spätantike als noûs poietikós und pathetikós bezeichnet wurden50, zwei Formen dieses noûs der menschlichen Seele: Eine gebraucht für ihre Erkenntnis nicht den Leib - entspricht also auch nicht einer entelécheia in der zweiten Stufe -, sondern hat ihre Erkenntnisobjekte in sich selbst und bringt sie von daher hervor; in ihr stimmen daher ousía und enérgeia, Wesen und Wirkung, überein; eine andere steht in Verbindung mit den Erkenntnisformen zweiter Ordnung, gebraucht also in gewisser Weise für ihre Erkenntnis den Leib und tritt aus der für den noûs typischen Einheit von ousía und enérgeia heraus51.

Dieser noûs kann wiederum in drei verschiedenen Weisen subsistieren: Entweder wendet er sich durch seine Hinwendung zu den Objekten der Wahrnehmung von sich selbst ab und verliert seine Reinheit ganz. Dann ist er nur noch der Möglichkeit nach auf die eigentlich intelligiblen Objekte bezogen. Die Gegenstände seines Denkens empfängt er von den unteren, mit der Materie verbundenen Stufen der Seele, im Gegensatz zu seinem aktiven Wesen als noûs ist seine Erkenntnis also passiv. In einer zweiten Stufe kann dieser noûs wieder zu seinem Kontakt zur intelligiblen Welt und zu den Objekten zurückfinden, auf die er seinem Wesen nach ausgerichtet ist; seine Fähigkeit, Intelligibles zu erkennen, entspricht dann der zweiten Stufe der Potenzialität: Der noûs ist wie ein Mensch, der gelernt hat zu denken, dies aber trotzdem nicht tut (hósper ho epistémon). Schließlich kann der diskursive noûs auch enérgeiai wirklich denken: Er erschafft sich dann seine Objekte nach dem Wissen seiner intellektiven Natur52. Doch trotz dieses Bezugs zur Verstandeswelt bleibt auch dieser noûs mit den materiellen Objekten der Wahrnehmung in gewisser Weise verbunden, denn sein Denken erfolgt in Vorstellungsbildern (fantásmata; vgl. de an. 3, 7, 431b 2-9), die ihm „wie ein Schatten“ nachfolgen.

Die zunehmende Vollendung des entfremdeten, mit dem Leib verbundenen noûs geschieht durch den rein aktiven höchsten noûs in der menschlichen Seele, den „Simplikios“ auch logikè ousía nennt53. Dieser höchste menschliche noûs ist als Formursache der Einzelseele bei jeder von deren Aktionen stets präsent54; er ist individuell und garantiert im Sinne einer charakteristischen Eigenschaft im stoischen Sinne (idíos poión) die Identität des Seelischen mit sich selbst55. Der menschliche noûs bzw. der höchste Punkt der menschlichen Seele ahme damit den höchsten göttlichen noûs nach, von dem er freilich durch seine Individualität und die fehlende Dauerhaftigkeit seiner Aktivität verschieden ist, an dem er aber Teil hat56.

10. Die Originalität von „Simplikios“ Lehre vom noûs

Bei der Beurteilung dieser höchsten Form des noûs in der menschlichen Seele tut „Simplikios“ einen wichtigen Schritt über die ihm vorgegebene Lehre des Jamblich und des späteren Neuplatonismus überhaupt hinaus. Denn nur die Situation des entfremdeten noûs ist nach allgemein neuplatonischer Lehre charakteristisch für die Situation der menschlichen Seele, die durch den Kontakt mit der materiellen Welt ihren ursprünglichen Platz in der Seinshierarchie als unveränderlicher noûs verloren hat und diese Stellung nur wieder erlangen kann, indem sie von jeder Verbindung mit der körperlichen Welt ablässt. Dagegen wird die dritte Form des noûs, ein reiner Verstand, der mit sich selbst und seinen Objekten identisch ist, unter dem Einfluss von Porphyrios und Jamblich in der Zeit nach Plotin nicht in der menschlichen Seele angesiedelt.

„Simplikios“ sucht hier eine Kompromisslösung: Ähnlich wie Plotin57 nimmt er an, dass der höchste noûs der menschlichen Seele von der Art ist, dass er reine Erkenntnis ist und Wesen und Wirkung in ihm miteinander identisch sind. Als Schüler Jamblichs übernimmt er Plotins Lehre jedoch nicht ohne deutliche Änderungen58: Denn er identifiziert den menschlichen noûs nicht mit dem transzendenten, überindividuellen noûs, sondern lässt ihn diesem gegenüber in einem triadischen Teilhabeverhältnis stehen, bei dem der menschliche noûs zwei Stufen unter dem transzendenten angesiedelt ist59.

Die Abweichung von „Simplikios’“ Vorbild Jamblich, die in dieser Konzeption impliziert ist60, ist eine Konsequenz aus der Interpretation des aristotelischen Textes, genauer gesagt des berühmten Kapitels über den aktiven Verstand, in De anima 3, 5. In Aristoteles’ Text findet „Simplikios“ den Hinweis auf den höchsten noûs in der Aussage, dass dieser noûs transzendent ist, nicht erleidend und unvermischt sowie von seinem Wesen her Wirkung (an. 3, 5, 430a 17f.). Diese Aussage enthält in der Terminologie des „Simplikios“ die wesentlichen Kennzeichen des höchsten noûs, die ihn von den mit der Materie verbundenen Formen unterscheiden: Eine Trennung von Wesen und Wirkung gibt es bei ihm nicht, und er ist frei von jedem Kontakt mit den unteren Seinsformen61. Mit den reinen, überindividuellen Formen des noûs ist diese höchste Stufe des menschlichen Verstandes daher identisch, insofern er auch eine intelligible Wirklichkeit ist, denn im Bereich der intelligiblen Ideen ist nach der genannten aristotelischen Lehre, die in der Spätantike allgemein anerkannt war, das erkennende Subjekt mit allen erkannten Objekten identisch. Daher kann der menschliche noûs auch vom höchsten noûs seine Lebenskraft empfangen, ohne dass der neuplatonische Kommentator ihn passiv nennen müsste – denn er vollendet sich gleichsam selbst.

Andererseits unterscheidet sich der höchste noûs des Menschen vom überindividuellen noûs, insofern bei ihm die Einheit von Wesen und Wirkung nicht dauerhaft gegeben ist: In dem Moment, wenn sie vorhanden ist, ist sie in vollem Maße gegeben. Doch bewegt sich der noûs innerhalb der menschlichen Seele stets zwischen seiner prinzipiellen Höhe der intuitiven Erkenntnis und dem diskursiven Denken, dass durch seinen Vorgehen über zusammengesetzte Aussagen bereits eine Auflösung der im noûs gegebenen Einheit von Subjekt und Objekt voraussetzt62, so dass die Einheit von Wesen und Wirkung nicht ununterbrochen besteht. Der höchste menschliche noûs ist also in seiner wesentlichen Bestimmung mit dem überindividuellen, reinen noûs identisch, in seiner fehlenden Dauerhaftigkeit aber von ihm unterschieden.

Zur Erklärung dieser offensichtlichen Wandelbarkeit des menschlichen noûs greift „Simplikios“ auf ein Lehrstück seines Meisters Jamblich zurück, dass die Seele nämlich nicht nur in der Mitte zwischen Idee und Stoff oder zwischen Unvergänglichem und Vergänglichem steht, sondern dass sie auch die Mitte hält zwischen Wandelbarem und Unwandelbarem, dass sie also bei aller Selbstidentität auch zu einer wesentlichen Veränderung fähig ist63. „Simplikios“ übernimmt dieses Lehrstück, doch gewinnt es in seiner Theorie gegenüber Jamblich eine größere Bedeutung. Denn Jamblich hat „Simplikios“ zufolge bestritten, dass in der menschlichen Seele ein noûs dynámei und einer energeíai anzutreffen sei, während „Simplikios“ das annimmt. Auch wenn „Simplikios“ sich bemüht, den dadurch entstehenden Gegensatz wegzuharmonisieren64, ist dieser de facto nicht zu unterschätzen: Denn das Menschenbild ändert sich wesentlich, wenn man annimmt, dass die Seele zumindest in ihrem höchsten Punkt ein Glied der intelligiblen Welt ist, anstatt dass sie, solange ihr menschliches Leben währt, keinen Zugang zu dieser Welt hat.

„Simplikios“ lässt diesen Unterschied auch selbst deutlich erkennen. Denn er betont, dass in der ganzen Seele allein der höchste noûs unsterblich ist. Er gewährt in seiner transzendenten Beständigkeit die Gewähr für den Fortbestand des Individuums, das sich in der mit einem Leib verbundenen Einzelseele in unsere Welt hinein konkretisiert. Er ist in sich selbst Wirklichkeit, aber nicht wie alle übrigen Teile der Seele eine Verwirklichung desjenigen Lebewesens, das durch die Verbindung dieses höchsten noûs mit Materie durch die verschiedenen Stufen der Seele erst konstituiert wird. Daher beantwortet „Simplikios“ mit seiner Theorie des reinen noûs die gestellte Frage nach der Unsterblichkeit der Seele.

11. Die Rolle der aristotelischen Philosophie im Kommentar

Der Durchgang durch die philosophischen Kernaussagen des „Simplikios“ hat, denke ich, gezeigt, dass hinter seiner Aristoteles-Auslegung ein systematisch entwickeltes Gedankengebäude steht. Aristoteles wird nicht textimmanent interpretiert, sondern sein Text wird von einem neuplatonischen Menschenbild her neu gedeutet. Die Philosophie des De anima-Kommentars ist weniger die Philosophie des Aristoteles als die des Neuplatonikers Jamblich.

Andererseits muss festgehalten werden, dass die Beschäftigung mit Aristoteles an der Philosophie des Kommentators nicht spurlos vorübergegangen ist. Das hat sich an zwei sehr wichtigen Punkten gezeigt: Der eine ist der Aufbau der Seelenlehre im Ausgang von der Frage, auf welche Weise die Seele Verwirklichung der im Körper angelegten Möglichkeiten ist. Dabei ist der Grundansatz des Aristoteles, die Seele aus ihrer Verbindung mit dem Körper und ihrer Funktionalität für das daraus entstehende Lebewesen heraus zu erklären, durchaus beibehalten. Das gilt sowohl, insofern die Belebung des rein materiellen Körpers als eine Wirkung der individuellen, von einem bestimmten eîdos hergeleiteten Seele verstanden wird, als auch dann, wenn das so entstandene Wesen wieder zum Werkzeug einer erkenntnisfähigen Seele wird. Das so entstandene Wesen ist eine Kombination aus Körper und Seele, in der die immaterielle Idee und das materielle Substrat so wesentlich verändert sind, das in ihm das unvermittelte Nebeneinander des Geistigen und Leiblichen in ein gemeinsam wirkendes Wesen hinein aufgehoben ist.

Eine weitere Aristotelisierung lässt sich gleichsam am anderen Ende der Seele festhalten, wenn „Simplikios“ als höchste Spitze der Seele einen, wenn auch nicht völlig dauerhaften, rein aktiven noûs ansetzt, der per definitionem, wenn auch nicht ununterbrochen, mit dem transzendenten, überindividuellen noûs identisch ist und dem allein die Unsterblichkeit und völlige Trennbarkeit von allen leibgebundenen Vermögen zukommt. Obwohl dieser noûs sicherlich nicht das ist, was Aristoteles sich unter seinem aktiven noûs vorstellte, ist bei „Simplikios“ klar wiedergegeben, dass dieser noûs innerhalb der Seele eine ganz eigene Rolle spielt: Es ist ja bekanntermaßen eines der großen Paradoxe der aristotelischen Seelenlehre, dass er einen noûs annimmt, der vom aus Leib und Seele verbundenen Wesen trennbar ist, obwohl er sonst die Seele vor dem Hintergrund der Funktionalität des Gesamtwesens deutet. Nicht viel anders verhält sich auch „Simplikios“’ höchster noûs zu der von ihm begründeten Seele, die in ihrer Jetztgestalt nicht ohne die Verbindung zum Leib zu denken ist.

Es ist also durchaus berechtigt, von einer gewissen Aristotelisierung des Neuplatonismus zu sprechen: Aristoteles ist nicht nur Gegenstand der Kommentierung, sondern die Auseinandersetzung mit seinen Texten beeinflusst auch das Weltbild der neuplatonischen Philosophen.


* Text eines Vortrags am 15.5.2002 im Collegium Philosophicum am Philosophischen Institut der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Der Text wurde leicht überarbeitet und mit Fußnoten versehen.

1 Das zeigen beispielhaft die durchweg wichtigen Beiträge in M. C. Nussbaum / A. Oksenberg Rorty (Hrsg.), Essays on Aristotle’s De anima, Oxford 1992.

2 Vgl. H. J. Blumenthal, Aristotle and Neoplatonism in Late Antiquity. Interpretations of the De anima, London 1996, besonders 3-34.

3 Griechischer Text in: Simplicii in libros Aristotelis De anima commentaria, ed. M. Hayduck = Commentaria in Aristotelem Graeca 11, Berlin 1882. Englische Übersetzung bis jetzt in: Simplicius, On Aristotle On the Soul 1, 1-2, 4, transl. by J. O. Urmson, London 1995; Priscian, On Theophrastus on Sense-Perception, transl. by P. Huby. „Simplicius“, On Aristotle On the soul 2, 5-12, transl. by C. Steel, London 1997; Simplicius, On Aristotle’s On the Soul 3, 1-5, transl. by H. J. Blumenthal, London 2000. Die Übersetzung wird demnächst durch C. Steel abgeschlossen werden. Im Folgenden zitiere ich nach der kommentierten Aristoteles-Stelle sowie den Seiten und Zeilen der griechischen Ausgabe, deren Seitenzahlen auch am Rand der Übersetzung genannt sind.

4 Bestreitung von Simplikios’ Autorschaft mit starken Argumenten durch C. Steel / F. Bossier, Priscianus Lydus en de „In De anima“ van pseudo(?)-Simplicius, in: Tijdschrift voor philosophie 34 (1972), 761-822; J. O. Urmson, in: Simplicius, On On the soul 1, 1-2, 4 a. a. O. (o. Fn. 3), 2-4; C. Steel, The author of the commentary On the soul, in: Priscian / „Simplicius“ a. a. O. (o. Fn. 3), 103-140. Eingeschränkte Zustimmung bei I. Hadot, Le problème du néoplatonisme alexandrin. Hiéroclès et Simplicius, Paris 1978, 193-202, Blumenthal, Aristotle a. a. O. (o. Fn. 2), 66-71, und P. Lautner, in: Simplicius, On On the soul 1, 1-2, 4 a. a. O. (o. Fn. 3), 4-10; Für Simplikios’ Autorschaft plädiert I. Hadot, sehr ausführlich neuerdings in Simplicius or Priscianus? On the author of the commentary on Aristotle’s De anima (CAG 11). A methodological study, in: Mnemosyne 4, 55 (2002), 159-199.

5 Grundlegend zum Werk der Aristoteles-Kommentatoren der Spätantike R. Sorabji (Hrsg.), Aristotle transformed, London 1990.

6 S. u. Abschnitt 2.

7 Vgl. C. G. Steel, The changing self. A study on the soul in later neoplatonism. Iamblichus, Damascius and Priscianus, Brussel 1978.

8 prooem. (4, 3-21).

9 Die Argumentation in de an. 2, 1, 412a 1-412b 9 zeigt deutlich die zweifache Verwendung von ousía (vgl. metaph. 5, 8, 1017b 10-26), bei der die ousía insofern eîdos ist, als durch sie das spezifische Sein eines Körpers festgelegt wird.

10 H. J. Blumenthal, Plotinus’ Psychology, Den Haag 1971, 134-140.

11 Enn. 4, 7, 85, 30; vgl. dazu G. Verbeke, Les critiques de Plotin contre l’entéléchisme d’Aristote. Essai d’interprétation de l’Enn. 4, 7, 85, in: Philomathes. Studies and essays in memory of Philip Merlan, Den Haag 1971, 194-222.

12 in 3, 4, 429a 10 (217, 28-34).

13 in 2, 1, 412a 20 (86, 19-24); vgl. in 2, 1, 412a 6 (83, 11-14): Durch eine gewisse apoteleutosis (Vollendung) durch das eîdos wird die stoffliche Wesenheit in die Lage versetzt, dieses eîdos aufzunehmen.

14 Dazu Blumenthal, Aristotle a. a. O. (o. Fn. 2), 94f.

15 prooem. (4, 14-32).

16 Plotin lehnt das Bild vom Schiff ebenso wie das von „Simplikios“ ebenfalls verwendete vom Leib als Werkzeug der Seele Enn. 4, 3, 21, 1-21 übrigens als ungenügend ab.

17 Das geschieht nach Blumenthal, Aristotle a. a. O. (o. Fn. 2), 93, schon bei Plotin.

18 Z. B. Enn. 1, 1, 11, 12f. 12, 27-31; vgl. C. Tornau, Plotin. Enneaden 6, 4-5. Ein Kommentar, Stuttgart/Leipzig 1998, 280-282; 314-316.

19 Das ist im späten Neuplatonismus übliche Lehre; I. Hadot, Problème a. a. O. (o. Fn. 4), 170. 176-178. 196-198.

20 Vgl. prooem. (4, 15f.). Eine Scheidung von Seele und Natur nach Bewegung und Bewegt-Sein findet sich in 1, 4, 408a 34 (56, 35-57, 20) und 1, 5, 410b 16 (71, 13-30), aber nicht so deutlich wie Simpl. in Phys. 2, 2, 193b 22 (286, 20-36; zitiert bei Hadot, Problème a. a. O. [o. Fn. 4], 175). Die der Sache nach deutlichste Darstellung des Seelischen im Gegensatz zum Natürlichen findet sich in 2, 1, 412a 13 (85, 22-86, 9), auch wenn hier der Begriff phýsis nicht erwähnt wird.

21 Vgl. z. B. Enn. 3, 6, 4, 29-52; Blumenthal, Plotinus’ psychology a. a. O. (o. Fn. 10), 27-30; E. K. Emilsson, Plotinus on sense-perception, Cambridge 1987, 24; F. Romano, Natura e anima in Plotino, in: Sofíes maiétores. Chercheurs de sagesse. Hommage à Jean Pépin, Paris 1992, 275-297, hier 293f. Vgl. aber Enn. 1, 1, 10, 10f. und Tornau, Plotin a. a. O. (o. Fn. 18), 283.

22 Das gilt auch dann, wenn sie nicht erst von ihm entwickelt worden ist.

23 in 412a 13 (85, 18); eídolon psychês nach Plot. Enn. 1, 1, 11, 12; 2, 9, 11, 15; vgl. 4, 3, 10, 39f.; aber mórion psychês nach Aristot. de an. 2, 2, 413b 8f. 14f.: psychè è mórion psychês.

24 in 2, 1, 412a 20 (86, 16-87, 35).

25 lógos tís perì tò eîdos tò zotikòn; in 2, 1, 412a 20 (86, 30).

26 in 2, 1, 412a 20 (87, 23-25); in 2, 2, 413a 20 (98, 6f.).

27 Bereits im prooem. (z. B. 4, 28-32).

28 Vgl. zu dieser Deutung der Metapher in 2, 2, 414a 16 (105, 9); in 2, 12, 424a 28 (168, 10-15).

29 Dazu in 2, 1, 412b 1 (91, 6-10).

30 Vgl. in 2, 5, 417b 19 (124, 19-24).

31 in 2, 11, 424a 17 (166, 10-28).

32 in 2, 11, 424a 25 (167, 19-34).

33 in 2, 5, 417b 19 (124, 3-6).

34 in 2, 2, 414a 16 (104, 38-105, 15).

35 in 2, 5, 417b 16 (123, 25-28).

36 Vgl. dazu 2, 5, 417b 19 (124, 8-14).

37 Sogar in gewissem Sinne das Nährvermögen: in 1, 5, 410b 16 (71, 24-29); in 2, 1, 412a 13 (85, 17-86, 7); nach in 2, 3, 414b 28 (108, 14-18) ist das threptikón in den Pflanzen pántei achóristos; mit der aísthesis kann es dagegen zu einer Natur zusammenwachsen (sýmfyetai: in 1, 5, 411b 27 [80, 30-33]).

38 in 2, 5, 417b 28 (125, 36-126, 16).

39 in 2, 5, 417b 28 (125, 12-36).

40 in 2, 5, 417b 5 (123, 19-26).

41 in 2, 5, 415b 17 (111, 24f.).

42 in 1, 4, 408a 34 (56, 35-57, 3); vgl. in 2, 12, 424a 25 (167, 22): dià tò chrêsthai autôi horizoméne!.

43 in 2, 12, 424a 25 (167, 22-25).

44 in 2, 12, 424a 28 (168, 8-15); zur Abhängigkeit der Seelenfunktionen von dem Zustand des organischen Leibes vgl. in 1, 4, 408b 19 (60, 3-61, 4).

45 Nach in 2, 3, 415a 11 (109, 7f.) ist diese keine entelécheia; deutlich ist z. B. in 1, 4, 408b 25 (61, 7-16).

46 in 2, 1, 412b 9 (92, 16-22); in 2, 1, 413a 8 (96, 6-10; vgl. Blumenthal, Aristotle a. a. O. [o. Fn. 2], 97); besonders klar in 2, 2, 413b 24 (102, 24f.: héteron génos estì psychês ho lógos parà tàs achorístous somáton ho chorízesthai pefukós); in diesem Sinn auch ousióde sýmfysin in 1, 3, 407b 23 (53, 1) und in 1, 4, 408b 19 (59, 31-39) mit einer interessanten Fortdeutung des Bildes vom Schiffer.

47 Im Mittelplatonismus wurden die Ideen in diesem Sinn als Gedanken Gottes gedeutet, erst von Plotin wurde die vollständige Identifizierung des denkenden, transzendenten noûs mit allen Ideen vorgenommen; vgl. Blumenthal, Aristotle a. a. O. (o. Fn. 2), 18.

48 in 3, 4, 429a 10 (217, 29-34).

49 in 3, 4, 429a 10 (218, 2-8); zu „Simplikios’“ noûs-Lehre vgl. Steel, Changing self a. a. O. (o. Fn. 7), 121-145; H. J. Blumenthal, The psychology of (?) Simplicius’ commentary on the De anima, in: ders./A. C. Lloyd (Hrsg.), Soul and the structure of Being in late neoplatonism, Liverpool 1982, 73-93, hier 89-91; Blumenthal, Aristotle a. a. O. (o. Fn. 2), 160-170.

50 Vgl. Blumenthal, Aristotle a. a. O. (o. Fn. 2), 17. 153-159.

51 Zum Folgenden: prooem. (5, 8-19); in 3, 4, 429a 10 (218, 36-219, 32).

52 Erwähnt im prooem., nicht in der Darstellung, die der Interpretation von 3, 4 vorausgeht.

53 in 3, 4, 429a 10 (218, 31).

54 in 3, 4, 429a 10 (218, 25-29).

55 in 3, 4, 429a 10 (217, 34-218, 2); zur porphyrianischen Interpretation dieses stoischen Begriffs innerhalb einer aristotelischen Ontologie vgl. R. Chiaradonna, La teoria dell’individuo in Porfirio e l’idíos poión stoico, in: Elenchos 21 (2000), 315-331. Nach Chiaradonna a. a. O. 317-320 ist es die Interpretation dieses Begriffs durch Porphyrios, die Jamblichs Schüler Dexippos in seinem Kommentar zu Aristoteles’ Kategorien kritisiert. Das könnte ein Abweichen der jamblicheischen Tradition von Porphyrios’ Grundannahmen anzeigen; dieses würde zu unserem Text passen, da Porphyrios’ Erklärung, das Individuelle werde durch ein nicht wiederholbares Bündel einzelner Eigenschaften konstituiert, nicht dazu dienen kann, einen transzendenten noûs von einem anderen zu unterscheiden. In jedem Fall zeigt Chiaradonna, dass die stoische Terminologie hier nur in neuplatonisch umgeformter Weise Verwendung findet.

56 prooem. (5, 15f.).

57 Vgl. Enn. 4, 8, 8, 3 (vgl. 4, 1, 12f.; 4, 3, 12, 1-5).

58 Vgl. prooem. (6, 12-15).

59 S. o. Abschn. 9.

60 Vgl. „Simplikios’“ eigene Rechtfertigung in 3, 11, 434a 16 (313, 1-31).

61 in 3, 5, 430a 17 (243, 16-26).

62 in 3, 6, 430b 26 (259, 29-34); vgl. Blumenthal, Aristotle a. a. O. (o. Fn. 2), 166f.

63 in 2, 1, 412a 26 (89, 24-90, 27); in 3, 4, 429a 10 (219, 34-220, 15); in 3, 4, 430a 5 (238, 4-29); vgl. Steel, Changing self a. a. O. (o. Fn. 7), 53-69; Blumenthal, Psychology a. a. O. (o. Fn. 49). 91-93.

64 in 3, 11, 434a 16 (313, 1-31).